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Monat: Oktober 2013

Wie gefährlich ist Motorradfahren (Teil IV) oder was unterscheidet Motorradfahrer von Polizisten?

Frage ich in meinen Trainings Motorradfahrer nach dem Dämonen ihrer dunkelsten Albträume, folgt im Windschatten des motorisierten Rentners und dem angeheiterten Jägermeister gleich der „Bulle“, „Kiberer“ oder „Polyp“. Im Hannoveranerdeutsch: der Polizist. Er sei der ultimative Spaßkiller bei manch genüsslicher Herbrennertour.
Doch sind Polizisten und Motorradfahrer so grundverschieden, dass sie sich einerseits in perfiden Schützengräben mit Radarwaffen auflauern bzw. andererseits donnerndes Fersengeld schenken müssen? Oder hassen sich gerade die, die sich am allerähnlichsten sind? Àla Piefke contra Schluchtenscheisser.

Glaubt man Risikoanalysten, scheint Zweiteres zuzutreffen. In einer Studie des neugierigen Professors William W. Lowrance, 1970 in Eugene [jutschin], Oregon, wurden mögliche Gefährdungen anhand von mehreren Risikomerkmalen beurteilt. In einer vereinfachten Grafik würde dies so aussehen:

Polizisten und Motorradfahrer scheinen folgedessen zumindest in der Fremdwahrnehmung so ziemlich ein und dasselbe Völkchen zu sein. Der bikende Kriminaler sozusagen als fleischgewordene Symbiose. Und siehe da: die zünftige Jagdgesellschaft ist bezüglich Risikobewertung diesem Gesinnungszwilling am nächsten. Also kein Wunder, dass sich Wachmänner und Motorradfahrer mehr oder weniger lustvoll Jagdszenen liefern, in der manchmal der eine, manchmal der andere zur Strecke gebracht wird. Das Verhalten liegt in ihren Genen.

Also liebt Euch doch, ich seit Euch mehr verwandt als ihr denkt.

Und vor allem:
Reitet und riskiert,
Dieter

Wie gefährlich ist Motorradfahren? (Teil I)
Wie gefährlich ist Motorradfahren? (Teil II)
Wie gefährlich ist Motorradfahren? (Teil III)

Risk’n’Ride Bloghütte

Risk‘n‘Ride findet Heimat. Jedem Wolf sein Schafspelz und jedem Blog seine Hütte.
Ab sofort hat Risk‘n‘Ride eine Anlegestelle aus der in stürmische See gestochen wird:

Falls Du mal am Heimathafen vorbeischipperst und mich darin ankern siehst, sollst Du wissen: der Kühlschrank ist vollgetankt und die Kaffeemaschine auf Drehzahl. Klar zum entern!

Ich würde mich freuen,
risk‘n‘ride,
Dieter

Risk’n’Ride Bloghütte / Esplanade 12a / Gmunden / Österreich

Eddie ho’omau!

Im Jahr 1978 waren einige Wagemutige bereit, die historische Einwanderungsroute der ursprünglichen Inselbewohner von Tahiti nach Hawaii abzufahren. Ein Mitglied dieser Crew war der 31jährige Surfer Eddie Aikau. Sein Traum war, die Reise seiner Vorfahren selbst zu durchleben. Das Gefährt war eine Hokule‘a, ein traditionell hawaiianisches Boot. Mit solch einem Kanu bewältigten Eddies Ahnen die Odyssee hin zu ihrer neuen Heimat Hawaii. Am 16.März 1978 verliess die Hokule‘a mit Eddie an Bord den sicheren Hafen von Honolulu. Nach geraumer Zeit leckte einer der beiden Bootsrümpfe, worauf das Kanu 19 Kilometer vor der Insel Molokai kenterte. Auf rauer See und ohne Funk drohte das Boot zu sinken. In einem Versuch Hilfe zu holen, schnappte sich Eddie ein Surfboard und paddelte damit in Richtung der Insel Lanai. Stunden später entdeckte ein Flugzeug das Boot mit seiner Besatzung. Obwohl der Rest der Crew von der Küstenwache gerettet wurde, war Eddie nie wieder gesehen. Man fand seine Schwimmweste, die er wohl ablegte, da sie ihm das Paddeln am Surfbrett erschwerte. Die anschliessende Suche nach Eddie war die längste und intensivste Rettungsaktion in der Geschichte von Hawaii. Eddie blieb verschollen.

Noch in diesen Tagen machen auf Hawaii die Worte „Eddie ho’omau!“ – „Eddie would go“  – „Eddie würde es wagen“, die Runde. Ja, Eddie würde es wagen, wenn niemand es wagen würde. Eddie würde handeln, wenn andere es nicht tun würden. Eddie würde in stürmische See stechen, um anderen zu helfen. Ich glaube „Eddie would go“ bedeutet letztendlich, dass jemand den Mut hat sich für das Leben anderer aufzuopfern. Dies könnte jeden meinen, einen Big Wave Surfer, wie Eddie Aikau es war, oder uns, die unsere Hand denen reichen, die Hilfe benötigen.

Aloha,
risk‘n‘surf,
Dieter

Schäm Dich, FRONTEX! Du selbsternannte „Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Aussengrenzen“. Du paramilitärische Schutztruppe, die mit eigenen Augen zusieht, wie tausende Flüchtlinge aus Afrika im Mittelmeer ertrinken. Ich würde Dir wünschen, Du hättest einen Eddie in Deinen Reihen.

Gefährliche Dinge, die Du tun solltest (Teil 2)

Eine Diskussion auf der facebook-Seite der so fulminanten wie famosen Rennleitung#110.de erinnert mich an eine Fabel, mit der erstmals der chilenische Mediziner und Biologe Humberto Maturana das Licht der Welt erhellte. Und sie erzählt sich ungefähr so:

Du stehst vor einem Klippenrand. Ein tiefer, senkrecht abfallender Abgrund öffnet sich vor Deinen Zehenspitzen. Du wagst einen Schritt ins Leere. Dein Herz ist gefüllt mit Zuversicht. In dem Moment da Du den Schritt machst, hast Du das Gefühl, Du fällst ins Unendliche. Plötzlich spürst Du festen Boden unter Deinen Füssen. Deine Welt hat sich erweitert. Neues Land hat sich unter Dir gebildet. Eine größere Welt ist nun Dein.

Die Diskussion von der ich sprach wurde ausgelöst durch diese riskante Bremsübung:

In der Praxis lief es so: Auch ich fühlte vor dieser Bremsübung vor einem Abgrund zu stehen. Das ABS hatte ich extra ausgeschaltet. Das Herz pochte mir bis unter die Schädeldecke. Ich musste mir Mut zusprechen. Soll ich es wagen? „Ach, muss doch nicht sein“, wollte mich mein innerer Schweinehund zur Aufgabe überreden. „Zuversicht!“ brüllte mein Schutzengerl, „Ich bin ja eh bei Dir!“ Wie bei der letzten Auffrischung meiner Tetanusimpfung, ging alles schnell vorüber. Es hatte geklappt. Mit jeder Wiederholung gelang es mir ein Stück besser. Mittlerweile macht es mir Spaß das Ding zu probieren. Aus meiner anfänglichen Angst wurde Routine.

Dieses Bremsmanöver ist eines der „gefährlichen“ Dinge, die jeder Motorradfahrer wagen könnte-sollte-müsste, um seine Welt einen Schritt weit zu vergrößern. Es lohnt sich. Mehr noch lohnt es sich, für einen Gedankenaustausch darüber, einen Raum zu haben. Thanx, Rennleitung#110.

risk‘n‘ride,
Dieter

Gefährliche Dinge, die Du tun solltest (Teil 1)

Anhang: Einen Diskurs über das Bremsen löst automatisch einen über das ABS aus, wie auch in der oben genannten Gesprächsrunde.  Es gibt mehr und weniger enthusiastische Befürworter dieser technischen Weiterentwicklung. Ab 2016 sollte ja jedes in der EU neu zugelassene Motorrad ABS verpflichtend installiert haben. Da mein Artikel „ABS-Pflicht: Der Teufelsparagraph“ manchmal missverständlich interpretiert wurde, hier zu Klärung: „Ja, ich finde ABS ist eine tolle Erweiterung der passiven Sicherheit. Trotzdem wird ABS auch maßlos überschätzt. Genauso wie alle der heuer leider tödlich verunglückten Motorradfahrer einen Sturzhelm trugen, wird 2030 jedes Motorrad eines getöteten Motorradfahrers ABS besitzen. Aber wird sich die Zahl der tödlich Verunglückten um so viel verringern wird, wie die aktuelle BOSCH-Studie prophezeit? (Ist nicht BOSCH ein ABS-Hersteller?) Schön wärs.

Horror am Bambi-Highway

Mein ganz persönliches Nightmare sind Strecken beidseitig bespickt mit spriessenden Maisanpflanzungen in denen Freddy Krueger höchstpersönlich in Form eines Rehkalbs lauert und mir in Erwartung meiner Anfahrt hinterhältig in das Vorderrad springt. 1428 Elm Street ist überall. Vor allem zu Spätsommerzeiten, da der Viehproviant bis zu 3 Meter hoch meinem Motorrad Spalier steht. Ich könnte Veganer werden. Unsere Mastkühe sollten nur Gras statt Mais fressen, in jenem Niederkraut schafft es kein hinterlistiger Rehbock sich zu verschanzen. Jedenfalls entkam ich gestern am „Bauernhighway“, wie Locals kosend den zweispurigen Asphalt zwischen Aurachkirchen und Desselbrunn heissen, nur knapp einem heimtückischen Anschlag dieses vierbeinigen Horrors staubtrockener Bikerträume.

Mein Speedometer in Kukuruzalleen zeigt minus 25%. Zeige- und Mittelfinger auf der Bremse sind gespannt wie am Abzug einer Winchester. Mein mentales Programm trainiert auf „Wenn schon, dann voll durch das Wildragout“. Nur so konnte ich diesem ausgewachsenem Kitz Paroli bieten. Verdammt knapp vorbei, ist gottseidank auch daneben. Trotz doppeltem Entspannungsstamperl zittern meine Glieder immer noch espenlaubig beim Niederschreiben dieser lebhaften Erinnerung. Dank Bildstabilisator meiner Canon konnte ich auch trotz Bibbern untenstehendem Bild vom Beinahetatort etwas Schärfe verleihen.

Gestern abends wühlte ich in meinem Bücherkistchen voll Motorradliteratur nach Herrn Spiegels Szenario des Schreckens und deren verhaltenserklärender Beschreibung.

Der Bikerspuk in Form vom Schreck hat 3 horrende Komponenten:

  1. Plötzlich
  2. Überraschend
  3. Bedrohlich

Die Plötzlichkeit: Ok, Freddies Kuscheltier stand urplötzlich vor meinem Visier. Das kann ich beim besten Willen nicht ändern. Schon gar nicht, da in der Grundausbildung dieser Viecher „Plötzlichkeit“ als Hauptfach im Stundenplan steht. Um diesen Faktor zu eliminieren bleibt mir nur absolute Zweiradabstinenz.

Die Überraschung: Von wegen! Dank Gruselstreifen à la „Freitag, der 13te“ oder „Halloween“ erkenn ich routiniert oftmals Sekunden vor dem Massaker, wann die Protagonisten das Zeitliche segnen werden. Ein Vierhufer aus dem Dickicht kann mich kaum mehr überraschen. Sogar als Antiwaidmann hab ich meist ein Naserl für Wildbret von der Seite.

Die Bedrohung: Naja, seit Alois Rausch von der MS2 die Courage hatte in metzgerart durch eine Rehgeiß zu brettern (siehe Youtube-Clip), scheiss ich mich nur mehr halb so sehr vor einem Feindkontakt mit Bambi an.

Kurz, das Grauen kann gebändigt werden. Freddy Krueger wird zum Streichelkätzchen, obwohl das natürlich auch gehörig kratzen kann.

risk‘n‘ride,
Dieter

Bevorzugt Linkskurven

Die Erfahrung bescheinigt Motorradfahrern eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit Kurvenmalheure Richtung links zu erleben. Sogar um ein Mehrfaches als die Möglichkeit steuerbords zu ankern. So die Prognose. Natürlich drückt solche Zahlenspielerei nur die Unfallchance eines durchschnittlichen Normalobikers aus, dem wir wilden Hühner und Kerle ja keinesfalls entsprechen. Interessant ist hier der Fakt im Beiwagerl, der mir auf die Schulter klopft uns sagt: „“He, dass ist doch gerade die Kurvenrichtung, die jeder Motorradfahrer so liebt!“. Es ist wieder so weit: Gerade dort wo es geil und rauschhaft wird, wartet der Kapuzenmann geduldig, um uns seine Sense ins Vorderrad zu knallen. Für mich stellt sich nun jenseits jedes Bedrohungsszenarios folgende Frage:

Warum nur bevorzugen viele Biker die Linkskurve?

Hier eine unvollständige Liste eingeholter Expertenmeinungen:

Die erste – plausibelste, deswegen nicht unbedingt der Wahrheit beste – Erklärung ist, dass wir in Linkskurven weiter hineinschauen können und daher mehr das Gefühl haben die Situation kontrollierend zu überblicken. Folgedessen neigen wir dazu den Gashahn etwas mehr zu öffnen als in der Rechtskurve. Steuerbords fahren wir mangels Durchblick etwas sanfter, da vor allem ein Rutscher sofort in einer innigen Umarmung mit dem entgegenkommenden Blechkäfig resultieren könnte. Spannend wäre hier ein Blick in Länder mit Linksverkehr, hier müssten Biker dann folglich Rechtskurven bevorzugen, oder?

Die zweite – weniger ins Auge springende – Hypothese wäre, dass wir in Schräglage gegen den Uhrzeigersinn mehr Gefühl für die rechte „Gas“-Hand haben, da wir mit unserer linken „Brems“-Pranke das Lenkerende drücken. Besseres Gefühl am Gasgriff – ergo – ein Plus an Sicherheitsempfinden(?) – ergo – höher gewählter Speed(?) – ergo – extra Unfallrisiko(?). Falls dieser Kettenschluß stimmt, mmh, die These wäre stichhaltig.

Ein dritter Motorradprofi überreicht mir die Idee, dass es die unterschiedliche Jobverteilung unserer beiden Gehirnhälften ist, welche die Wurzel unserer Präferenz für Linkskurven ist. Die linke Hemisphäre bestimmt vor allem das rationale Denken, also Zahlenspielerei und Analyse, kurz, die nüchterne Präzisionsarbeit. Da das linke Oberstübchen mehr das rechte Pfötchen steuert, könnte es sein, dass dies der Auslöser linkskurviger Kapitalen ist, denn laut Sir Bernt Spiegel sollte jeder Biker in der Kurve beim Dosieren nicht zu viel Denken, sondern mehr der Ganzheitlichkeit vertrauen.

Um, der Zahl „4“ gerecht zu werden, werfe ich noch ein Argument in den Ring. Sag man nicht, dass auf unserer nördlichen Halbkugel das Wasser im Abfluss immer nach links abfliesst? Und, da wir ja zu 70% aus Wasser bestehen, wäre unser inniges Verlangen daher, die Welt linksdrehend zu verlassen. Südhalbkugelbiker müssten wiederum die Rechtskurve lieben.

Meiner Meinung nach ist alles ganz anders: Das Leben bevorzug eben Linkskurven! Würden wir mit einen Motorrad die Doppelhelix unserer DNA aufwärts brennen, wir würden eine unendliche Linkskurve fahren. Auch wenn jedem Biker die Schnecke wesensfremd erscheint, ihr Haus bevorzugt ausnahmslos die Linksdrehung. Auch alle Seezungen liegen mit ausnahmsloser Vorliebe auf ihrer Linken.

Kurz gesagt, Verkehrssicherheit kann Genmanipulation und Stammzellenforschung nicht umkurven. Den absolut sicheren Motorradfahrer kann man halt nur im Labor züchten.

Bis dahin,
risk’n’ride,
Dieter

Nachhang: Gerade erfahre ich von einem guten Freund und Herbrenner aus London, dass er besonders Rechtskurven liebt. Das spräche für die erste Hypothese.