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Motorradfahrer will nicht am Leben bleiben

Schluss mit lustig. Stopp der Babypause. Manch geistreiche Zunge behauptet ich hätte die Geburt meines Sohnes so geplant, dass er das Licht der Welt in der motorradfreien Winterpause erblickt. Nein, es war der Terminkalender des Zufalls, der es so fügte. Jetzt, da mein Fratz nun mal hier ist, werde ich von der moralisierenden Gesellschaft mit nervenden Fragen und noch schlimmeren Ratschlägen gequält, wie: „Verkaufst Du Dein Motorrad? Schließlich hast Du als zweifacher Vater doppelte Verantwortung!“,  „Es wäre wohl an der Zeit als Motorradfahrer und Vater eine Lebensversicherung abzuschliessen!“ oder „Ist in Deiner Situation nicht wichtiger am Leben zu bleiben und Dir eine Leidenschaft mit weniger Risiko zuzulegen?“. Scheisse, nein, ich will nicht am Leben bleiben. Wie soll ich meinen Kindern später erklären, dass ich das, was mir so viel Freude bereitet am Tag ihrer Geburt in den Müll entsorgte. Nein, „am Leben bleiben“ ist für mich keine Option. Mein Dasein soll eine andere Grundlage haben.

Wie die scheue Gazelle beim Anblick eines schlafenden Geparden erstarrt, so vergessen wir bei all dem „am Leben bleiben“ auf das was wirklich zählt, nämlich lebendig zu sein. In einer Welt von Kuratorien der Verbots- und Strafwahns laufen wir Gefahr eine schäbige Tragödie zu inszenieren. Die Dramaturgie ist düster. Der Feind ist das Leben.

Nein, Zweiradabstinenz und Lebensversicherung sind keine Lösungen für motorradfahrende Familienväter wie mich. Allseits rundum gegen Sturm, Hagel, Unfall und Beben zwangsversichert soll ich mich nun auch noch gegen mein Leben versichern? Schon Oscar Wilde hat einmal gesagt, das Leben sei viel zu wichtig, um es ernst zu nehmen. Ich kann ergänzen, mir ist es zu wertvoll, um es zu versichern.

Die Antwort auf mein Grübeln strampelt gerade fröhlich vor meiner Nase. Mein Sohn. Vollgefixt mit Leben. Er denkt nicht an Sicherheit, an sein Überleben oder ans „am Leben bleiben“. Er ist einfach. Mein kleiner Lehrmeister, mein Guru der Glückseligkeit.
Er spricht zu mir:

Du sollst kacken und essen,
lachen und weinen,
schlafen und wachen.
Vor allem sei lebendig,
schwing Dich auf Dein Motorrad und spüre das Leben.

Daher, ab jetzt wieder und weiterhin,
risk’n’ride,
Dieter

„Der durchgeknallte Motorradfahrer“ Teil 1: Der „WRBTV“

Laborratten-Einzelversuche von Kradfahrern bilden ja bekanntlich nicht zwingend das Verhalten der großen Masse ab. Trotzdem dürfen dadurch auch Hinweise auf mögliche Artefakte bezüglich des Wesen des Motorradfahrers entdeckt und damit auf die Gesamtpopulation der Biker projiziert werden. Eine Art Prophezeiung sozusagen.

Infiziert von der Idee des „gläsernen“ Motorradfahrers, frage ich mich: „Sind Motorradfahrer tatsächlich so verrückt, durchgeknallt und krank, wie manch brav angepasster Steuerzahler behauptet?“. Dazu gibt es keine naheliegendere Möglichkeit, denjenigen darüber entscheiden zu lassen, der tagtäglich sortiert, wer verkehrstauglich ist und wem der Führerschein wegen diagnostiziertem Wahnsinn für immer entzogen wird: den berüchtigten „Idiotentest“. Amtlich bekannt unter VPU (Verkehrspsychologische Untersuchung) bzw. MPU (Medizinisch-Psychologische Untersuchung) richtet er an der Himmelspforte des Strassenverkehrs zwischen „Gut“ und „Böse“.

Trotzdem wahrhaftige Idioten behaupten, dass man während so einer Gesinnungsinspektion aus drei Kügelchen ein Haus bauen muss und mit dem vierten die dazu passende Garage, begebe ich mich in die Hände einer VPU-Professionalistin. Nur speziell ausgebildete Personen haben die Berechtigung solche Testungen mit uns Erdenmenschen durchzuführen.

Mein mentaler TÜV geschieht an einem Flachbildschirm in der Wiener Taborstrasse, in dem verkehrspsychologischen Institut meines Vertrauens. Dort stelle ich mich einer erlesenen Testbatterie, deren Ergebnis mir die Antwort auf die Frage „Sind Motorradfahrer von Grund auf irre?“ geben soll.

Der Test den ich durchlaufe nennt sich WRBTV. Hinter diesem sperrigem Kürzel versteckt sich der „Wiener Risikobereitschaftstest Verkehr“, der mein „subjektiv akzeptiertes Risikoniveau in Verkehrssituationen“ prüft. Kurz: Kann man die Einheit Motorrad-Dieter auf den Rest der Menschheit loslassen? Meine Aufgabe dabei ist, mir kurze Videos von 24 potenziell gefährlichen Verkehrssituationen anzusehen. Während ich diese Kurzfilmen betrachte, muss ich einen Knopf in jenem Augenblick drücken, ab dem ich beispielsweise mit einer vorgegebenen PS-Zahl nicht mehr überholen würde oder in dem ich nicht mehr in eine Kreuzung trotz Querverkehr einfahren würde. Aus den daraus resultierenden Daten berechnet ein ausgeklügeltes Computerprogramm meine generelle Risikobereitschaft bezüglich Strassenverkehr. So weit, so gut.

Das Ergebnis:

Geil! Ich neige mit meinem „hohem subjektiv akzeptierten Risikoniveau“ dazu, ein „höheres Ausmaß an objektiver Gefahr in Kauf zu nehmen“. Ich! Ja, ich als amtlicher Hosenscheisser und Warmduscher kann an der oben stehenden Tabelle gar graphisch erkennen, dass ich knapp aus dem Durchschittsbereich der Menschheit falle. WRBTV ich liebe Dich! Es war schon immer ein Wunsch von mir, nicht Teil der Einheitsmasse zu sein. Ich bin sehr stolz auf das Ergebnis.

Aber Halt! Würden die Ergebnisse der nächsten Tests ähnliche Resultate zu Tage bringen, könnte ich in die Kategorie „nicht geeignet für den Strassenverkehr“ fallen. Mein Führerschein müsste in den Katakomben der Verkehrsbehörde in Rente gehen.
Würde man mich allerdings als durchschnittlichen Motorradfahrer typisieren, also wäre ich ein Abbild der Zweiradigkeit, es hieße gleichzeitig, dass alle Motorradfahrer zumindest ein bisschen durchgeknallt, verrückt und krank wären. Kraftradfahrer fallen somit erwiesenermassen – knapp, aber doch – aus der Norm und dem Mittelmaß. Ich könnte mir kein besseres Ergebnis erträumen.

In Erwartung weiterer Testdaten,
risk’n’ride,
Dieter

Motorradfahren im Labor: Die HRV-Messung

Die Anzahl wissenschaftlicher Untersuchungen über die Psychophysiologie des Motorradfahrers während einer Tour ist bescheiden und überschaubar. Was soll schon getestet werden? Laktat-Werte? Adrenalin-Ausschüttung?
Ich habe mir die Frage gestellt, wie mein Körper und mein Geist wohl auf unterschiedlichen Motorradstrecken funktionieren und reagieren würden. Zu diesem Zweck habe ich, unter der Obhut von Mag. Sophie Fuchsberger, einer Verkehrspsychologin, den Laboraffen gemimt. Sophie ist Expertin in der Aufzeichnung, Analyse und Interpretation der menschlichen Herzfrequenzvariabilität. Eine HRV-Messung erfasst dabei die Fähigkeit eines Organismus die Frequenz des Herzrhythmus zu verändern. An den gewonnenen Daten kann man anschliessend die körperliche, geistige und emotionale Befindlichkeit des Probanden z.B. während einer Motorradfahrt erkennen.

Also ab ins Laboratorium „Strasse“:
3.Oktober 2013, 9 Uhr. Ich lasse meinen Körper mit drei Elektroden verkabeln und starte eine Motorradtour. Mein Plan ist, möglichst unterschiedliche Strecken zu fahren, um später zu sehen, wie mein Körper auf diese reagiert. An wichtigen Kreuzungspunkten notiere ich die exakte Uhrzeit, um ein möglichst genaues Tages- und Streckenprotokoll zu erhalten.
4.Oktober 2013, 9 Uhr, also 24 Stunden später, werde ich entkabelt und die aufgezeichneten Daten gelesen. Dabei fliessen auch die restliche 20 Stunden abseits der Motorradfahrt in die Analyse ein. Ich möchte also wissen, wie sich meine Psychophysiologie beim Motorradfahren im Vergleich zu alltäglichen Tätigkeiten verhält. Genau von diesem möchte ich heute berichten.

Das erstaunliche Ergebnis:
Das Gutachten zeigt, dass mich Motorradfahren in einen Zustand „intuitiver, konzentrierter Entspanntheit“ beamt. Nur entspanntes wohliges Geplauder mit meiner Frau Alexandra und ein 20-minütiges Schreiben eines Artikels kann meiner heilsamen Seelenlage während einer Motorradfahrt Paroli bieten! Relaxtes Computer-Sofasurfen bzw. ein ungezwungener Elternabend in der Volksschule kommen meinem segensreichen Befinden auf zwei Rädern zwar nahe, jedoch mit erhöhter körperlicher Anstrengung! Beim Einkaufen, Kochen, Spielen mit meiner Tochter und vor allem während dem Rasenmähen war meine Herzfrequenz weit über dem des Motorradfahrens! Nur das Nickerchen zur Mittagsstunde und mein Nachtschlaf unterboten die Pulsschläge pro Minute während meiner Tour!

Jetzt möchte sich mancher denken: Na, da war der Dieter wohl im Cruisermodus auf Großmutterfahrt! Falsch gedacht. Meine beinahe 4-stündige Motorradfahrt beinhaltete Autobahn, Bundesstrasse, Landstrasse, Passstrasse, Schotterstrasse und Stadtverkehr, abschnittsweise im Cruiserstil, aber auch in Herbrennermanier und Tourenmodus, was das Ergebnis doppelt interessant macht, da meine Herzfrequenz diese unterschiedlichen Fahrstile gekonnt ignoriert. Ich hätte Anderes erwartet.

Die Auswirkungen des Motorradfahrens haben laut HRV-Messung auf meinen Körper und Geist nachweislich Züge von Kontemplation und Meditation, bedingt durch meinen Fokus auf Wesentliches im Zustand körperlicher Entspannung. Wissenschaftlich erwiesene Vorteile von Meditation und daher folglich auch von Motorradfahren wären:

+ Senkung des Risikos von Herz-Kreislauferkrankungen
+ Erhöhung des Serotonin-Spiegels und verstärkte Gefühle des Wohlbefindens
+ Verbesserung der mentale Konzentration und Klarheit der Gedanken
+ Erhöhung der Konzentration und Kreativität
+ Verbesserung der Beherrschung von Sorgen und Ängsten
+ verminderte Gefühle von Depression und Hoffnungslosigkeit
+ Verbesserung der Lernfähigkeit und des Gedächtnis
+ Verbesserung der Intelligenz und steigende IQ-Werte

Ich plädiere für Motorradfahren auf Krankenschein!

risk’n’ride,
Dieter

PS: Es sei zum Schluss gesagt: Dieses Ergebnis spiegelt meinen Zustand während einer Motorradfahrt wider. Um zu sehen, ob dies auf alle Motorradfahrer zutrifft, müsste eine umfassendere Studie angelegt werden.

Ultimatives Sicherheitsgadget (Teil 7): Die Pilotenbohne

Wer kennt es nicht, das Serpentinenhigh, den Kurvenrausch gebirgiger Asphaltexpeditionen. Kaum ein Handwerk schnalzt mir den Flow so um die Ohren wie ein Ausflug in die redundanten Tornanten der Alpen. Gäbe es keinen schnöden, notwendigen Alltag, ich könnte mein restliches Leben in diesem aussergewöhnlichen Bewusstseinszustand umherfegen. Allerdings werden auch meine Rezeptoren einmal satt vom Dauerfeuer verzückter Neurotransmitter und benötigen ihren wohlverdienten Synapsenschlaf. Dies ist genau der Moment in dem Erschöpfung und Müdigkeit meine Achtsamkeit samt dem Sein im Hier und Jetzt verpuffen läßt. Meinen grauen Zellen täte jetzt ein allinclusive Wellnessprogramm sehr gut. Also was tun?

Ich denke an Gesellschaftsdrogen. Espresso? Nein, der hat mir zu dieser matten Tageszeit bereits Löcher in die Magenwand gesprengt (Siehe „Ultimatives Sicherheitsgadget Teil 3: Die Kaffeepause„). Energy Drinks? Die kommen bei mir nicht in die Röhre, das gebieten mir Stil und Anstand. Auch für einen kurzen Powernap fehlt mir das Gemach. Da gerät mir eine alte überlieferte Dopingrezeptur südamerikanischer Piloten in den Sinn: Airmen BeansBonbons auf Kaffee-, Guarana- und Zuckerrohrbasis.

Nicht abgeneigt mir im Selbstversuch bewusstseinserweiternde Medizin einzuverleiben, werfe ich mir ein paar dieser Pilotenbohnen ein, um zu testen, in wie weit sie meine Ausdauer tatsächlich verlängern. Und siehe da: Ob nur Placebo oder die Essenz der brasilianischen Liane, die Wirkung war, dass ich nach dem Konsum dieser Kraftzuckerl es eine lange Samstagnacht anständig krachen lassen konnte. Natürlich hatte ich solch Saturday-Night-Fever auch schon ohne Fliegerpastillen. Auch die Rauschforschung stellt fest, dass eine gelungene Sause ohnehin nur eine coole Herde benötigt, mit der man um die Häuser ziehen oder Kurven zähmen kann. Trotzdem werden die Airmen Beans nächste Saison bei kurvenreicher Tagestouren Bestandteil meines Tankköfferchens sein. Hilft’s nicht, schadt’s nicht! Und lecker sind sie allemal.

risk’n’ride,
Dieter

Ultimatives Sicherheitsgadget (Erstes Teil)
Ultimatives Sicherheitsgadget (Zweites Teil)
Ultimatives Sicherheitsgadget (Dritter Teil)
Ultimatives Sicherheitsgadget (Vierter Teil)
Ultimatives Sicherheitsgadget (Fünfter Teil)
Ultimatives Sicherheitsgadget (Sechster Teil)

Organspender! Yeah!

Oft werden wir Motorradfahrer als Organspender bezeichnet. Ich finde es ist Zeit in die Offensive zu gehen und ein kräftiges „Yeah!“ in die Atmosphäre zu stossen. Hier in Österreich ist man ohnehin mit seiner Existenz automatisch Organspender – solange man keinen Widerspruch einlegt. Diese Regelung gilt übrigens auch für in unserer Alpenrepublik verunfallte Deutsche oder Schweizer. Da hilft kein zugeschweisster Nierengurt, sondern nur kräftiger Alkoholmissbrauch, damit die Leber Dein bleibt.

Passiert der Kapitale in Deutschland oder in der Schweiz sieht es für Dich etwas anders aus. Hier musst Du vor bzw. Deine Angehörigen im Ablebensfall explizit zustimmen, dass Dein Herz woanders verschraubt werden darf. Dort holt man sich seinen ganz persönlichen Organspendeausweis:

Übrigens noch etwas, um optimistisch in die Zukunft zu blicken: Die psychosomatische Forschung in den USA kam zu dem Ergebnis, dass mit dem gespendeten Organ in einem gewissen Maß auch Wesenszüge, Neigungen und Interesse transplantiert werden. Hier ein doppeltes „Yeah!“, denn kurz gesagt: Wird das Organ von einem Biker gespendet, könnte das der Einstieg in die Motorradwelt für den Empfänger sein.

Im Zweifelsfall HERZLOS,
risk’n’ride, Dieter

PS: Für Deine Terminplanung bezüglich Motorradausfahrt: Jeder 1.Samstag im Juni ist „Tag der Organspende“!