Die Anzahl wissenschaftlicher Untersuchungen über die Psychophysiologie des Motorradfahrers während einer Tour ist bescheiden und überschaubar. Was soll schon getestet werden? Laktat-Werte? Adrenalin-Ausschüttung?
Ich habe mir die Frage gestellt, wie mein Körper und mein Geist wohl auf unterschiedlichen Motorradstrecken funktionieren und reagieren würden. Zu diesem Zweck habe ich, unter der Obhut von Mag. Sophie Fuchsberger, einer Verkehrspsychologin, den Laboraffen gemimt. Sophie ist Expertin in der Aufzeichnung, Analyse und Interpretation der menschlichen Herzfrequenzvariabilität. Eine HRV-Messung erfasst dabei die Fähigkeit eines Organismus die Frequenz des Herzrhythmus zu verändern. An den gewonnenen Daten kann man anschliessend die körperliche, geistige und emotionale Befindlichkeit des Probanden z.B. während einer Motorradfahrt erkennen.

Also ab ins Laboratorium „Strasse“:
3.Oktober 2013, 9 Uhr. Ich lasse meinen Körper mit drei Elektroden verkabeln und starte eine Motorradtour. Mein Plan ist, möglichst unterschiedliche Strecken zu fahren, um später zu sehen, wie mein Körper auf diese reagiert. An wichtigen Kreuzungspunkten notiere ich die exakte Uhrzeit, um ein möglichst genaues Tages- und Streckenprotokoll zu erhalten.
4.Oktober 2013, 9 Uhr, also 24 Stunden später, werde ich entkabelt und die aufgezeichneten Daten gelesen. Dabei fliessen auch die restliche 20 Stunden abseits der Motorradfahrt in die Analyse ein. Ich möchte also wissen, wie sich meine Psychophysiologie beim Motorradfahren im Vergleich zu alltäglichen Tätigkeiten verhält. Genau von diesem möchte ich heute berichten.

Das erstaunliche Ergebnis:
Das Gutachten zeigt, dass mich Motorradfahren in einen Zustand „intuitiver, konzentrierter Entspanntheit“ beamt. Nur entspanntes wohliges Geplauder mit meiner Frau Alexandra und ein 20-minütiges Schreiben eines Artikels kann meiner heilsamen Seelenlage während einer Motorradfahrt Paroli bieten! Relaxtes Computer-Sofasurfen bzw. ein ungezwungener Elternabend in der Volksschule kommen meinem segensreichen Befinden auf zwei Rädern zwar nahe, jedoch mit erhöhter körperlicher Anstrengung! Beim Einkaufen, Kochen, Spielen mit meiner Tochter und vor allem während dem Rasenmähen war meine Herzfrequenz weit über dem des Motorradfahrens! Nur das Nickerchen zur Mittagsstunde und mein Nachtschlaf unterboten die Pulsschläge pro Minute während meiner Tour!

Jetzt möchte sich mancher denken: Na, da war der Dieter wohl im Cruisermodus auf Großmutterfahrt! Falsch gedacht. Meine beinahe 4-stündige Motorradfahrt beinhaltete Autobahn, Bundesstrasse, Landstrasse, Passstrasse, Schotterstrasse und Stadtverkehr, abschnittsweise im Cruiserstil, aber auch in Herbrennermanier und Tourenmodus, was das Ergebnis doppelt interessant macht, da meine Herzfrequenz diese unterschiedlichen Fahrstile gekonnt ignoriert. Ich hätte Anderes erwartet.
Die Auswirkungen des Motorradfahrens haben laut HRV-Messung auf meinen Körper und Geist nachweislich Züge von Kontemplation und Meditation, bedingt durch meinen Fokus auf Wesentliches im Zustand körperlicher Entspannung. Wissenschaftlich erwiesene Vorteile von Meditation und daher folglich auch von Motorradfahren wären:
+ Senkung des Risikos von Herz-Kreislauferkrankungen
+ Erhöhung des Serotonin-Spiegels und verstärkte Gefühle des Wohlbefindens
+ Verbesserung der mentale Konzentration und Klarheit der Gedanken
+ Erhöhung der Konzentration und Kreativität
+ Verbesserung der Beherrschung von Sorgen und Ängsten
+ verminderte Gefühle von Depression und Hoffnungslosigkeit
+ Verbesserung der Lernfähigkeit und des Gedächtnis
+ Verbesserung der Intelligenz und steigende IQ-Werte
Ich plädiere für Motorradfahren auf Krankenschein!
risk’n’ride,
Dieter
PS: Es sei zum Schluss gesagt: Dieses Ergebnis spiegelt meinen Zustand während einer Motorradfahrt wider. Um zu sehen, ob dies auf alle Motorradfahrer zutrifft, müsste eine umfassendere Studie angelegt werden.