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„Zonko auf Monden“ – Eine Riskzension

Drei Wochen vor dem Heiland schneit mir “Zonko auf Monden” ins Haus. Fritz Triendl alias Zonko (oder umgekehrt), seinerseits Chefredakteur der Zeitschrift „Der Reitwagen“, schrieb eines der größten Motorradabenteuer der Literaturgeschichte, das ich in weniger als 0,002 Lichtjahren genüsslich verschlang. Zonkos Odyssee 2010.

Zonko und sein Piepmatz Luna Loop – gefiederter Verstand und vorwiegend auf Großhirndenken gepolter, reizender Wellensittich – steuern auf seiner zweizylindrigen „Königin der Strasse“ mit 182km/h ins Universum, um 384.467 Kilometer später auf Monden zu landen. Eine kleine Ewigkeit für jeden von uns, für Zonko und Luna jedoch ein kurzer Quantenloop.

Um auf den Highway der Glückseligkeit zu gelangen muss Zonko mit seinem „weissen Büffel“, das Gas voll am Anschlag, über eine 30 Meter Rampe der Euphorie und des Grauens donnern. An der A2, Richtung Graz, gelegen, verspricht dieses Wagnis wahrlichen Ordalcharakter.  Zonko wandelt hier auf den Spuren des neunzehnjährigen Graham Greenes, der – ob seiner tiefen Einsamkeit und Sehnsucht nach Lebenslust – sich russisch sechs mal den Revolver an die Schläfe setzte, um Gott das Roulette des Lebens entscheiden zu lassen. Das Pokern mit dem Tode gab ihm das Leben zurück. Auch Zonko ist die Freude am Leben auf Erden irgendwie entglitten, nicht wegen tiefer Einsamkeit. Nein Zonko verlässt die Freude, da zum einen die gesetzgebenden Menschen die Welt krank reglementieren und ihm zum anderen die moderne Informationstechnologie einen unfassbar dichten Informationsschwall beschert, der seinen Wunsch nach einer dunklen Ecke nährt.

Man hat jedoch den Eindruck, dass Zonko weniger durch innere Leere, als von innerer Fülle angetrieben wird. Sie ist die entscheidende Kraft, die ihn als Grenzgänger und Wagnissuchender drängt, sein bequem abgesichertes Dasein, gespickt mit Fernseher und Vanillekipferl, zu verlassen, um dem risikoreichen Weg der eigenen Berufung zu folgen. Viel mehr eine Flucht zu etwas hin, als ein Flüchten von etwas weg. Seine dunkle Ecke, sein „Etwas“ findet Zonko auf Monden in einer anfangs spartanisch, kargen Umgebung, in der sich Sinn, Flow oder Glück leichter einzustellen vermag als in Luxus und Überfluss. Sozusagen eine Flucht Into the Wild oder genauer Into the Child, da sich die mondartige Landschaft, vom Sandschleier freigesaugt, als kindheitsgeprägte Tiroler Almenerinnerung präsentiert.

Ähnlich wie Alexander Supertramp die Erkenntnis schwant: „Happiness is only real when shared“ findet Zonko das Glück in unterschiedlichsten Begegnungen auf Monden. Seine Rendezvous mit dem Mondkalb, der Mondfee, dem Krempelritter oder Franz Kupalsky muten an wie die Prüfungen des Odysseus, die Zonko zum Helden formen und seiner Sinnsuche Anstrich verleihen. Nach seiner größten Prüfung, durch einem Sandsturm hervorgerufen, wird er am Weg in die Heimat auf Erden in ein Paralleluniversum geschleudert, welches wie Realität anmutet, und Zonko in einer Schleife zwischen zwei Welten zurücklässt.

Zonko und Fritz Triendl führen uns in eine fantastisch-realistische Welt im Spannungsfeld zwischen Risiko und Sicherheit, Wagnis und Überreglementierung, Gefühl und Verstand.  Im Abenteuer sehnt man sich manchmal eben nach Deckenluster, Wohnzimmer, Fernseher und vor allem Vanillekipferl – „Lass uns heimfahren“, wie Luna Loops sich treffend wünscht. (Umgekehrt: jedem Banker sein SUV.) Alle auf der Suche Heimat zu finden, mal in der Ferne, mal ganz nah. Zonko findet Heimat in sich selbst und kommt so zur Ruhe in seiner ganz persönlichen dunklen Ecke.

Falls jemals ein Zonkoismus aus der Erde – oder dem Mond – wachsen sollte, ich würde mich ihm verpflichtet fühlen. Denn im Wagnis erblüht das Leben, im Abenteuer die Erkenntnis.

Eins noch: Ich warte auf ein zweites Buch, in dem Zonko Schrödingers Katze bemüht und durch die Zertrümmerung des Fernsehers mit dem Schnitzelklopfer, ein Paralleluniversum eröffnet, das ich in weiter Ferne nur erahnen kann. Ich würde am Sozius Platz nehmen.

risk‘n‘read, Dieter

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