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Uli Brée – der hyperreale Dionysos

Version 2
Uli Brée – ich verneige mich vor diesem virtuosen Spieler des Motorraduniversums, hieve ihn auf den Olymp der Zweizylindergottheiten und küre ihn zum Botschafter der motorisierten Anderswelt.

Uli Brèe gelingt es – als einem unter wenigen – den Hauch des Karnevals unserer Motorradzunft aufrichtig zu portraitieren, ohne zu übersehen, dass sich hinter dieser clownesken Maskerade eine tiefe Ernsthaftigkeit und Leidenschaft verbirgt. Er, das limbische System der Neukirchner Tridays, schafft den Balanceakt zwischen der gravitätischen Humorlosigkeit schwarzgekleideter MC-Geschwader und der närrischen Faschingsgilde einer puren Vernunft. Nichts kann diese Spaltung des Zweiradgemüts pointierter zum Ausdruck bringen, als ein Dialog aus der Feder des Leibhaftigen. Aber lest doch selbst, wie Toni alias Sonderermittler Steiger seiner schiesswütigen Herta Siegwald grundehrlich die Spaltung seiner und unserer Seelenwelt erklärt:

Toni: „Sonderermittler Steiger spürte den eisigen Schauer des Bösen. Der Schwarze Engel hatte wieder zugeschlagen und sein Schatten fiel auf das Dorf.“

Hertha: „Mmh, klingt ein bisschen aufgesetzt.“

Toni: „Findest?“

Hertha: „Ja.“

Toni: „Na, aber der redet so, der Steiger.“

Hertha: „Das bist doch nicht Du, Schatz.“

Toni: Irgendwie schon und irgendwie nicht. Weisst Du, die Überhöhung des Protagonisten ins Hyperreale, quasi seine Charakterisierung als klassischen Helden, das ist in dem Genre durchaus ein probates Mittel.

Hertha: „Klingt einleuchtend!“

Toni: „Eben.“

Vier Frauen und ein Todesfall: „Totgepflegt“ (2016). Drehbuch: Uli Brée

Ja, unser Genre „Motorrad“ braucht das probate Mittel der Überhöhung in Hyperreale. Als Charakterziele dienen statt Sonderermittler Steiger die Altbekannten: Peter Fonda, Steve McQueen, Hunter Thompson, Marlon Brando, Jax Teller – die ganze erlesene Motorrad-Gang. Da wir in der Zwischenwelt unserer juckenden After und spriessender Nasenhaare diesem Ideal erbärmlich wenig nahekommen, braucht es eine Mystifikation, eine erfundene Gestalt unseres Selbst. Irgendwie brauchen wir den Clown, um unsere wahres Ich zu entdecken, irgendwie auch nicht.

Exakt am Scheitelpunkt dieser Überhöhung ist die Startlinie der kollektiven Ekstase. Ob nun als kölscher Karnevalsrecke, beschalter Fussballfan, volkstümliche Trachtengestalt oder vollmontierter Kradfahrer, meist braucht es diese Anderswelt, um genau jener Mensch zu sein, der wir sind. Das Schauspiel als Weg zur Authentizität. Viele sehnen sich nach jenem Sonderermittler Steiger, dem Protagonisten aus dem Hyperrealen. Einmal die Welt umrunden. Einmal die Route 66 befahren. Einmal Rennstrecke. Einmal Rocker. Es würde irgendwie alles auflösen – und irgendwie auch nicht.

Nun geschieht es, dass Uli Brèe von 23.-26 Juni 2016 wieder nach Neukirchen am Grossvenediger zu den  Tridays blässt. Als motorisierter Dionysos katapultiert er dieses kleine Dörfchen für einige Tage in den Orbit einer simulierten Wirklichkeit. Macht Euch also auf zur Eselsmesse – mit einem Hauch Kettenschmiere unter den Augenliedern, einem Tupfer Motorenöl hinter den Ohren, gaaanz viel Coolness, Lederjacke, Hipsterbart, Lederstiefel – der geballten Staffage unserer rauschhaften Anderswelt. Und bitte: Nehmt Eure Kumpels mit! Denn in der kollektiven Überhöhung schläft der Halbgott mit den Mänaden und findet jeder Motorradfahrer sein Ich im Auge der übersteigerten Existenz.

Chapeau Uli Brée!

Published inAllgemein

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