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Risk'n'Ride Posts

„Wehret Vision Zero!“ Wieviele getötete Motorradfahrer verträgt unsere Gesellschaft?

Je mehr Errektionsprobleme unser gängiges Finanzsystem zu haben scheint, desto mehr Viagra-Mails verstopfen meinen Spamordner. Zufall?

Ähnlich steht’s mit der Verkehrssicherheit: Seit Jahren geben sich selbsternannte Experten mit Dauerständer die Klinke des Verkehrsministeriums in die Hand, „Vision Zero“ heißt ihr Viagra. Das Ziel: Null Verkehrstote!
„Fortschritt-über-Alles“ heißt hier: Jedes Jahr weniger Verkehrstote! Verschärfte Tempolimits, strengere Strafen, Alkolocks, Verkehrscoaching, höhere Kontrolldichte, all das Sexspielzeug für längere Kopulation.


Null getötete Motorradfahrer! Was würde das für uns heißen? 30er Zone auf Landstrassen, Ganzkörper-Airbags, generelles Überholverbot für einspurige Fahrzeuge? Wäre das ein Lebenskonzept? Alle erreichen wir die 100 Jahre, davon 80 Jahre in tiefster Depression?

Ich denke es ist an der Zeit darüber nachzudenken, wieviel Opfer unsere Gesellschaft verträgt. Niemand würde auf die Idee kommen eine „Vision Zero“ für verletzte Fußballspieler oder Lawinentote im Bergsport auszusprechen. Alle würden „Gebt uns unsere Freiheit zurück“ brüllen.

Es stellen sich die Fragen: Gibt es eine optimale Anzahl getöteter Motorradfahrer? Wieviele Getötete müssen in Kauf genommen werden um eine gesunde Balance zwischen Hochsicherheitsgesellschaft und absoluter Anarchie zu haben? Müssen wir nicht das Wagnis eingehen, dass die Unfallzahlen eventuell auch einmal steigen, um unsere Lebensqualität zu erhalten?

Derzeit hat sich die Unfahlzahl hierzulande bei 60-70 getöteten Motorradfahrern pro Jahr eingependelt. Hört man sich bei Unsereins um, scheint der Ausgleich beim Motorradfahren zwischen Spaß und Restriktion mit wenigen Ausnahmen noch gegeben sein (manche Motorradfahrer fühlen sich in der Schweiz oder Norwegen bereits übersanktioniert – übrigens zwei Länder mit „hervorragender“ Unfallstatistik). Doch ich möchte hier eine Warnung aussprechen: „Wehret Vision Zero„! Nichts kann so gefährlich sein wie die Sicherheit selbst.

risk’n’ride, Dieter

430,5 Panik!

Gestern, 20.Mai, Nähe Freistadt, Oberösterreich, schwerer Motorradunfall. Ich und mein Freund Jork wurden Zeugen der Erstversorgung. Abends bei der Recherche über die Folgen für den Motorradfahrer lese ich im Internet, dass auf der von uns gefahrenen Strecke ein weiterer Motorradfahrer sein Bein und ein anderer sein Leben verlor.
Heute, 21.Mai, Scharnstein, Oberösterreich, 15km von meinem Zuhause, passieren wir die Stelle an der gestern ebenfalls ein Motorradfahrer starb (Artikellink siehe unten).
Ich werde merklich entschleunigt. Die gelesenen Zeilen und die Zeichnungen am Asphalt kosten mich in den nächsten Kurven unwichtige Sekunden. Diese Eindrücke sind nicht nur eine Spaßbremse, sondern wirken auch als Begrenzer, der schon bei 6000 statt der üblichen 8500 U/min einsetzt. Genau da stellte sich mir die Frage: Was begrenzt mich? Was bremst mich ein?

Soweit in mich versunken, dass ich mein Bike gerade noch sicher über den Asphaltkanal geleiten konnte, erspürte ich folgendes:

Es ist nicht mein mangelndes Fahrkönnen, das meine Geschwindigkeit durch die Waldgebiete des Alpenvorlandes bestimmt.
Es ist die Möglichkeit eines Wildwechsels.
Es sind nicht die fehlenden PS, die meinen Speed durch besiedeltes Grünland regulieren, noch die 50er oder 80er Beschränkungen .
Es ist die Möglichkeit eines Querverkehrs.
Es ist nicht der fehlende Grip der meine Kurvengeschwindigkeit bestimmt.
Es ist die Möglichkeit des Ausritts.

Es ist statistisch beinahe unwahrscheinlich, dass ich heute zu Sturz komme und dabei auch noch mit Petrus Bekanntschaft mache (treue Leser erinnern sich vielleicht an die 20 Promille). Die Möglichkeit besteht jedoch permanent.

Diese 0,02 % sind es, die mir den Mut rauben, die physikalischen Grenzen auszutesten. Und es ist gut so.

Woher kommen meine Gedanken an die Möglichkeit eines Sturzes, Querverkehrs, Wildwechsels, etc.? Es ist die nackte Angst. Nimmt sie Überhand, fahre ich wie Opa Baldrian auf den Weg zur Kirche. Fehlt sie gänzlich, rase ich mit warp-speed gen Hölle.

Also mit der Angst hält es sich wie mit der Geschwindigkeit: Null ist nix und zuviel ist zuviel. Vielleicht sollten die Verkehrsexperten des Landes Angsttaferl aufstellen wie: „Diese Kurve fährt sich optimal mit 430,5 Panik!„. Da sich Angst, wie übrigens auch die Fahrleistung z.B. unter Alkohol, sehr individuell gestaltet, liegt es wiederum – und das zum Glück – an jedem von uns seine Angst selbst zu regulieren, um optimale Lust zu erfahren. Ob dies nun durch Verkehrssicherheitsspots, Unfallstories aus der Presse oder Ghostrider-Videos passiert, bleibt jedem selbst überlassen.

Nur eins ist sicher: Für mindestens 3 von uns ist der gestrige Tag echt scheisse gelaufen.

risk’n’fear,
Dieter

Zeitungsartikel zu Unfällen von 20.Mai 2012

„Das Limit ist Deins! Deines allein!“

Manchmal rutscht einem Werbetexter so manch netter Text über die Feder.
Hier einmal die Lyrik einer Suzuki-Add + Clip:

War es, dass ich am Land aufwuchs?
War es meine Liebesbeziehung zu meinem ersten Motorrad?
War es eventuell mein geiler Style?
War es meine Beharrlichkeit oder mein Training?
Glück?
Aufopferung?
War es, dass es – am Gipfel meines Schaffens – alles war, was ich wollte?

Es war KEIN Boardcomputer, der jede Bewegung aufzeichnete.
KEINE launch-control, welche mir den perfekten Style gab.
Es war NICHT anti-wheelie oder ABS und DEFINITIV NICHT Traktionskontrolle!

Hol Dir die Macht zurück!
Übernehme die Kontrolle!
Übernehme Verantwortung!

Motorradfahren hat nichts mit Elektronik zu tun.
Das Limit ist Deins! Deines allein!

risk’n’ride, Dieter

Seelenstrip eines Motorradfahrers: 18 aus 31

In seinem Buch „Die Psychologie des Motorrads“ beschreibt Dr.Hansjörg Znoj, seinerseits Professor an der Uni Bern, Abteilung für Klinische Psychologie, das (nicht ganz ernst gemeinte) Psychogramm einer/s Motorradfahrer/in. Ich hab daraus eine kleine Checkliste gebastelt, um zu prüfen, ob ich mich typisieren lassen kann.

Wer jetzt glaubt: „Och, immer diese Vorurteile!“, sag ich: „Nee, alles wissenschaftlich recherchiert!“, siehe Kapitel 3:

Kannst ja selber prüfen, ob Du Dir die Zulassung gibst. Los gehts (– bin ich)

Ergebnis: 18 Volltreffer von 31! Reicht das für die TÜV-Plakette?

risk’n’ride, Dieter

Österliche Heldentaten

Von den Griechischen Göttern sagt man,
dass sie die Naiven besonders gern beschützt haben,
weil sie von den Vernünftigen keine geilen Heldentaten erwarten konnten.
(GEA Nr.62, 2012)

Frohe Ostern und
risk’n’ride,
Dieter

Ich bin doch nicht TomTom!

Ein kurzer Auszug aus Robert M. Pirsigs philosophischen Roman „Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten“ aus dem Jahre 1974:

So orientieren wir uns hauptsächlich an der Himmelsrichtung und der zurückgelegten Strecke und versuchen im übrigen, jeden Hinweis zu deuten, der sich uns bietet. Ich habe in einer Tasche einen Kompaß für bedeckte Tage, an denen man sich nicht nach der Sonne richten kann, und die Karte habe ich in einer Spezialtasche auf dem Benzintank befestigt, so daß ich die seit der letzten Kreuzung zurückgelegte Strecke verfolgen kann und immer weiß, worauf ich achten muß. Mit diesen Hilfsmitteln und ohne Zwang, zu bestimmter Zeit irgendwo „anzukommen“, geht es wunderbar, und wir haben Amerika beinahe ganz für uns allein.

Fast 40 Jahre später lenken uns drei Buchstaben: G -P- S! Immer und überall wissen wir, wohin wir „wollen“! Das Navigationsgerät stemmt uns eine Schleuse in die Alpen, aus der wir nur entweichen, indem wir den Stecker ziehen. Motorradfahren wird immer mehr zum Downhill im Eiskanal. Die Strecke ist vorgegeben. Ein kurzfristiges Abweichen wird meist mit freundlicher Frauenstimme sofort mit „Bitte wenden“ kommentiert. Der satellitengeleitete Motorradfahrer unter dem Schlapfen präziser Militärtechnik. Das Risiko sich zu verfahren, Umwege zu gehen, Ungeplantes zu Entdecken wird zum Softwarefehler.

Wäre ich ein Fahrradkurier und müsste möglichst schnell ein Foto zur Werbeagentur liefern, ein Navi wäre sicherlich sehr hilfreich. Wie steht es aber bei einer Urlaubsfahrt in die Alpen? Wieso haben wir so grosse Angst falsch abzubiegen? Ohne Foto vom Colle-sowieso oder Passo-irgendwie auf facebook ist die Tour nur halb so viel Wert. Das Ziel ist das Ziel, der Weg wird zur Nebensache.

Ich plädiere für weniger Navigation beim Motorradfahren und für mehr Mut für das Entdecken. Das Schöne liegt oft im Unerwarteten.

Wreck your Navi,
and risk‘n‘ride,
Dieter

Organspender! Yeah!

Oft werden wir Motorradfahrer als Organspender bezeichnet. Ich finde es ist Zeit in die Offensive zu gehen und ein kräftiges „Yeah!“ in die Atmosphäre zu stossen. Hier in Österreich ist man ohnehin mit seiner Existenz automatisch Organspender – solange man keinen Widerspruch einlegt. Diese Regelung gilt übrigens auch für in unserer Alpenrepublik verunfallte Deutsche oder Schweizer. Da hilft kein zugeschweisster Nierengurt, sondern nur kräftiger Alkoholmissbrauch, damit die Leber Dein bleibt.

Passiert der Kapitale in Deutschland oder in der Schweiz sieht es für Dich etwas anders aus. Hier musst Du vor bzw. Deine Angehörigen im Ablebensfall explizit zustimmen, dass Dein Herz woanders verschraubt werden darf. Dort holt man sich seinen ganz persönlichen Organspendeausweis:

Übrigens noch etwas, um optimistisch in die Zukunft zu blicken: Die psychosomatische Forschung in den USA kam zu dem Ergebnis, dass mit dem gespendeten Organ in einem gewissen Maß auch Wesenszüge, Neigungen und Interesse transplantiert werden. Hier ein doppeltes „Yeah!“, denn kurz gesagt: Wird das Organ von einem Biker gespendet, könnte das der Einstieg in die Motorradwelt für den Empfänger sein.

Im Zweifelsfall HERZLOS,
risk’n’ride, Dieter

PS: Für Deine Terminplanung bezüglich Motorradausfahrt: Jeder 1.Samstag im Juni ist „Tag der Organspende“!

Risk‘n‘Ride meets Risk‘n‘Fun

14.-18.Februar nahm ich an einer fetten risk‘n‘fun-Session auf der Tauplitz, Steiermark teil. Immer im Hinterkopf möglichst viel von dieser Erfahrung für mich und diesen Blog aufs Motorradfahren zu transferieren.

risk‘n‘fun ist ein – auf Freerider (für Flachlandtiroler: Tiefschneefahrer) zugeschnittenes – Projekt des Österreichischen Alpenvereins. Die Zielsetzung liegt bei Eigenverantwortung und Risikokompetenz. Zusätzlich zu den „hard skills“ eines „herkömmlichen“ Lawinenkurses, setzt risk‘n‘fun verstärkt auf „soft skills“ wie Reflexion des eigenen Risikoverhaltens oder das „grundlegende Gespür für gruppendynamische Prozesse und die damit verbundenen Auswirkungen auf die eigene, gelebte Praxis“.

Um risk‘n‘fun 1:1 aufs Motorradfahren umzulegen, sei zuallererst bedacht, dass die Bergwelt im Gegensatz zur Strasse – neben den Naturgesetzen und eigenen „Nein“-Entscheidungen – keiner sonstigen Verkehrsordnung unterliegt. „Da hat der Staat nichts zu suchen“ oder weiter „Es braucht keine zusätzlichen Regulationen“, wie Michael Larcher, Bergsportreferent des Alpenvereins auf kurier.at zum tragischen Lawinenunfall des niederländischen Prinzen Friso vor einigen Tagen betont. Im selben Artikel meint auch Frank Lindenberg, Präsident der Österreichischen Bergrettung: „Gesetze (in der Bergwelt, Anm.) sind sinnlos, weil nicht exekutierbar“.

Motorradfahrer setzen mit der Entscheidung für den Asphaltdschungel auch einen Schritt in ein Dickicht von Vorschriften. Schutz, Lärm, Technik, Geschwindigkeit werden unter Strafandrohung reguliert. Dieser formale Handlungsrahmen bietet dem Motorradfahrer – zum Preis von Freiheit – Orientierung, Halt und Begrenzung. Gesetze nehmen jedoch ein Stück Raum für Eigenverantwortung und selbstgewähltes Risiko. Trotzdem steckt das Geheimnis vom Überleben im Strassenverkehr nicht in totaler Kenntnis der StVo und perfektem Beherrschen des Fahrzeugs, sondern gerade in den „soft skills“ und der Optimierung des selbstgewählen Risikos.

Aus diesem Grund starte ich mit dem nächsten Posting eine Mini-Serie mit dem Titel:

„Was kann ich als Motorradfahrer von risk‘n‘fun lernen?“

Ich möcht mich selbst überraschen, was da so kommen wird.
risk‘n‘ride vom Urlaub aus dem verschneiten Gasteinertal,
Dieter

Wie gefährlich ist Motorradfahren? (Teil III)

In der Reihe „Wie gefährlich ist Motorradfahren?“ diese Woche Zonkos Arztbrief aus der aktuellen Der Reitwagen-Ausgabe (2/2012):

Gerechnet der Anzahl von Verletzungen scheint Motorradfahren, Skifahren und Baumklettern in geschätzten 50 Jahren (Mittelwert aus Aussehen und Fahrverhalten des Opfers) gleich risikoreich zu sein, wobei das zukünftige Potential von Stürzen beim Baumklettern eher Richtung 0 weisst.

Was ist also richtig gefährlich? Hier rechnerisch eroiert von Klaus Heilmann (Heyne,  2010):

Also, liebe Bikerinnen und Biker: Wichtiger als ABS, Lederkombi und Fahrsicherheitstraining scheint das JA-Wort zu sein. Darum plädiere ich für Massenverehelichung bei der nächsten Motorradweihe.

risk’n’ride,
Dieter

Wie gefährlich ist Motorradfahren? (Teil I)
Wie gefährlich ist Motorradfahren? (Teil II)

Ultimatives Sicherheitsgadget (Zweites Teil)

Aus der Reihe unvernünftigenjedoch oder deshalb umso mehr nützlichen – Sicherheitsz(a)ubehörs für Motorradfahrer hat mein Risk-Buddy Eddie folgendes Gerät entdeckt:

Das Bikerglöcklein

„Laut alten Überlieferungen gibt es die Bikerbell schon seit den Zeiten des ersten Weltkrieges. Die Kradfahrer hatten damals von der beschützenden Wirkung gehört und hängten sich kleine Glöckchen an Ihre Motorräder um alles Böse von Ihnen fernzuhalten. Die so genannten Road-Gremlins, die für lockere Schrauben, elektrische Defekte und Schäden an Motor und Getriebe verantwortlich gemacht wurden, werden durch das Leuten der Glocken von den Bikes ferngehalten.
Das war in den gefährlichen Zeiten damals wichtiger als alles andere, aber auch heute, wo in jedem Motorrad noch viel mehr Technik und Kraft steckt, ist es wichtig den Fehlerteufel fern zu halten.“
Originaltext von bikerbell.com

Eddie ist verzückt und ist sich der Unfallfreiheit 2012 gewiss. Er hat sich gleich eins im Internet geshopt. Ich hoffe für mich, denn nur als Geschenk entfaltet das Bikerglöcklein seine ganze Wirkung.

Kling, Glöcklein, klingelingeling oder wie’s so schön heisst:
Verlier Deinen Schutzengel nicht aus dem Windschatten!

risk’n’ride,
Dieter

Ultimatives Sicherheitsgadget (Erstes Teil)