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Der Tod und das Motorrad

Allerheiligen, Allerseelen – nur mehr die Kreuze am Bankett erinnern mich an die Tage, an denen wir uns mehr als im übrigem Jahr mit dem Ableben beschäftigen. Mir bleibt ein Artikel von Thomas Neuhold vom 30.10.2011 aus „Der Standard“ in Erinnerung:

„Der Tod macht das Bergsteigen interessant“

Soll man Bergsteiger vor allzu viel Risiko schützen, oder ist die Möglichkeit, tödlich zu verunglücken, eine der letzten Freiheiten?

 

Wie sieht es bei mir als Motorradfahrer aus?

Ist für mich „das Motorradfahren deswegen interessant, weil ich zu Tode kommen kann„, wie es der Spitzenalpinist Oswald Oelz für das Bergsteigen postuliert? Die einzig sichere Methode beim Motorradfahren nicht zu sterben, sei nicht zu fahren. Vom Höhenbergsteigen auf das Motorradfahren umgelegt „wollen wir doch die Freiheit haben, uns umzubringen, wie es uns passt„.

In dem Artikel lässt Thomas Neuhold auch Silke Perathoner zu Wort kommen. Ihr Lebensgefährte kam 2008 am Nanga Parbat im Alter von 37 Jahren ums Leben. Als Mutter von drei Kindern plädiert sie trotz ihres Verlusts „den Berg als Freiraum zu belassen“ und das Bergsteigen nicht mit zu vielen Regeln zu belegen. Inwieweit darf das Motorradfahren „zerregelt“ werden? Wieviel Freiraum darf die Strasse bieten? Silke Perathoner hat jedenfalls „nie bereut, ihn ziehen zu lassen„.

Zuletzt stellt sich der Alpinjournalist Horst Höfler die Frage, wie die Hinterbliebenen mit dem Tod eines Nahen Verwandten oder Freundes, in Ausübung seiner liebsten Beschäftigung, umgehen? Er beschreibt die aktiven Alpinisten – und meint implizit wahrscheinlich alle Wagnissuchende – als Süchtige und Junkies, die sich vom Tod eines Kameraden nicht abhalten lassen, ihr Hobby weiterhin auszuüben. Im Gegenteil: „Gerade bei Begräbnissen nach Bergunfällen sei immer wieder zu beobachten, dass sich die Alpinisten unter den Trauergästen neue Touren ausmachten.

Für die hinterbliebenen Angehörigen gäbe es zweifach Tröstendes:

  • Der Bergtod sei meist ein „Gnädigerer Tod als jahrelanges Siechtum im Krankenbett
  • Die Verwandten und Freunde wüssten, der Tote sei bei dem umgekommen, „was er am liebsten gemacht hat

Ich behaupte nicht, dass man diesen Artikel 1:1 auf das Motorradfahren umlegen kann. Er gibt mir jedoch zu denken, ob ich als Motorradfahrer anders über mein mögliches Ableben empfinde, als ein durchschnittlicher Spaziergänger. Macht für mich die Möglichkeit des plötzlichen Tod das Motorradfahren erst so richtig interessant? Der Tod und das Motorrad – ein Bündnis der Glückseeligkeit? Nach Marco Simoncellis Tod im MotoGP vor 2 Wochen hielten sich Beileidsbekundungen und Klicks auf das Unfallvideo so ziemlich die Waage.

Ein Ge- und Nachdenkender,

risk’n’ride, Dieter

Hier der link zum Original auf der standard.at „Der Tod macht das Bergsteigen interessant“

9 Comments

  1. Lieber Dieter,

    ich möchte dir zu deinen Beiträgen recht herzlich gratulieren. Es ist toll mit welchem Engagement du an die Arbeit gehst. Als Psychologen-Kollege und ebenfalls Motorradfahrer sehe ich die Gefahr beim Motorradfahren nicht nach der Statistik, den Sprüchen anderer, sondern aus meinenen eigenen Erfahrungen. Bis Juli habe ich in dieser Saision ca. 6.000km mit meiner Varadero abgespult. Ich fahre seit meinem 18 Lebensjahr Moped und habe nun das 24 Jahr begonnen. Im Juli hatte ich dann auf der Pack einen schweren Unfall, wobei ich nach einem „Vorderradverbremser“ in eine Leitplanke geschlagen bin und mir schwerste Verletzungen zuzog. Vor dem Unfall dachte ich, gemäß der Statistik haben alle Anderen die Unfälle, nach dem Ereigniss weiß ich, wie schnell es geht und wie verletzlich man ist. Es ist nicht das Todeserleben das ich am Motorradfahren suchte. Es ist der Spaß am Leben. Ich für mich kann nur sagen, dass ich dankbar für jeden weiteren Tag in meinem Leben bin, dass ich noch gehen kann, selbstständig essen und trinken (nach mehreren Wochen), meine Hände noch bewegen kann und und und…

    Regeln sind wichtig und richtig. Zerregelen kann man nicht. Siehe dir die Motorräder (180 PS und mehr) an. Die werden nicht gebaut, gekauft und darauf vertraut das der Fahrer weiß was er macht. Du beschreibst es in den vorderen Artikeln wunderbar.

    Nun habe ich noch eine Bitte: Lege den Schwerpunkt deiner Beiträge nicht auf den Tod sondern wie in allen anderen Artikeln aufs Leben. Du kennst das Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiung.

    Kurz noch zu dem tragischen Unfall in der MotoGP: Menschen die die Grenzen überschreiten und dazu zähle ich die MotoGP-Fahrer rechnen genausowenig mit dem Tod wie wir normale Straßenfahrer.
    mfg

    Herwig

    • admin admin

      Lieber Herwig,
      danke für das nette Feedback. Ich hab bereits von Deinem schrecklichen Unfall gehört, aber gottseidank auch, dass es Dir schon besser geht. Ich wünsch Dir dafür Alles Gute.

      Die Beschäftigung mit dem Tod war durch Allerheiligen bedingt und ich hab mich da anscheinend bei einigen Motorradfahrern ordentlich in die Nesseln gesetzt. In einem Motorrad-Forum wurde mir für diese Thematik sogar mit einer “Tracht Prügel” gedroht.
      Ich glaub ja auch nicht, dass wir Motorradfahrer genau wegen dem möglichen Tod unsere Leidenschaft ausüben. Das wäre dann Selbstmord. Ich meine jedoch, dass bei vielen oder einigen ein Teil der Faszination schwinden würde, wäre Motorradfahren so “sicher” wie z.B. Fernsehen.
      Ich denk auch, dass manchmal die Angehörigen und Verwandten “1000 Tode” sterben, wenn wir wieder einmal zu einer Tour aufbrechen. Auch die Gesellschaft tituliert uns oft als “Organspender” oder “Todesengel”. Und ich bin überzeugt, dass viele Motorradfahrer deshalb auch mit dem – dadurch erzeugten – “Wilden Hund”-Image kokettieren. Ich will mich da gar nicht ausnehmen.
      Aber klar, 1:1 kann man diesen Artikel über Bergsteigen sicher nicht auf unsere Passion umlegen. Dazu gibt es zu viele offensichtliche Unterschiede.

      Da nicht aller Tage Allerheiligen ist, verspreche ich Dir in Zukunft auch wieder Geschichten zu posten, die über die schönen Seiten von Motorradfahren berichten.

      Ich wünsch Dir weiterhin Alles Gute auf dem Weg Deiner Gesundung,
      liebe Grüsse aus Gmunden,
      Dieter

  2. Charlie Charlie

    Irgendwann wird sich jeder Mensch einmal mit dem Thema Tod beschäftigen müssen. Aber warum man deshalb eine „Tracht Prügel“ angedroht bekommt, entzieht sich meinem Verständnis. Ist deren Angst vor dem Ungewissen so groß, daß sie mit Gewalt versuchen, alle Gedanken daran zu verdrängen? Wir sehen täglich dem Tod ins Auge, nicht nur beim Biken. Schön ist es, wenn man die Angst vor dem Tode etwas verringern oder ablegen kann, dann lebt es sich gleich viel leichter und sorgenfreier.

    In diesem Sinne
    Rock Hard Ride Free – Judas Priest

  3. Ritzert Ritzert

    Ich glaube mittlerweile nach vielen Motorradkilometern, dass das Motorradfahren gar nicht so gefährlich ist. Im Prinzip könnte man auch einen Artikel „Der Tod und das Auto“ verfassen oder „Der Tod und die Küche“ oder sonstwas. Tatsache ist eben, dass wir sterben müssen. Letztendlich ist es doch eigentlich egal woran . . .

    • admin admin

      Ja, ein Artikel über „Der Tod und die Küche“ könnte ich mir sehr amüsant vorstellen. Bezogen auf meinen Artikel würde da wohl viel über Fugu, dem giftigen Kugelfisch, geschrieben stehen. Auch beim Verzehr dieser japanischen Delikatesse, liegt wohl mehr der mögliche Tod als das zu erwartende Geschmackserlebnis im Vordergrund.
      Aber ich glaub, das hast Du nicht gemeint, sondern, dass es letztendlich immer und überall passieren kann. Ja, da gebe ich Dir Recht. Trotzdem reagiert die Gesellschaft und vor allem meine Familie sehr unterschiedlich, ob ich nun sage „Ich dreh eine Runde mit dem Bike“ oder „Ich schäl mal schnell die Kartoffeln“. Vielleicht sind es die Anderen, die den Tod und die Gefahr so auf unser Hobby projizieren.
      „Letztendlich“, also im Nachhinein ist es mir wahrscheinlich auch egal woran ich gestorben bin, aber so lange es noch nicht passiert ist, gibt es für mich schon Varianten, die ich bevorzugen würde 😉
      Liebe Grüsse aus dem Salzkammergut,
      risk’n’ride, Dieter

      • Ritzert Ritzert

        Habe jetzt erst mal wieder hier reingeguckt ! Hallo Dieter ! Das mit der Küche meinte ich, weil es hier doch einige Tode zu sterben gibt . . . z.B. mit Fettbrand udgl. Leiter um an die Decke zu kommen – zum Putzen :-). Putzen des Fensters von aussen im 10ten Stock usw. usw. Meist betrifft es ja dann leider die Frauen. Naja, ich will halt nicht so gerne lesen, dass ich beim Biken sterben könnte. DAS weiss ich doch sowieso . . . andererseits weiss ich auch nichts besseres als mit meinen Bikes zu fahren und die Gegend zu erkunden – DAS ist für mich das Höchste der Gefühle. Und das will was heissen in diesem Leben hier ! Finde ich zumindest 🙂 Viele Grüße und hoffentlich hat es sich bald mit der furchtbaren Kälte und die Saison beginnt endlich . . . dann hol ich Sie wieder raus, meine K12R von BMW . . . mein F und die Enfield auch ! Gruss, Frank

  4. BastiMD BastiMD

    Hallo zusammen,

    den Traum vom Motorrad fahren habe ich schon viele Jahre!
    Hatte mich aber zusehr von den Meinungen anderer beeinflussen lassen!
    Nun habe ich mich letztes Jahr doch entschieden, den Führerschein zu machen und habe mir damit, einen großen Traum erfüllt!
    Nun gab es ja jetzt schon einige schöne Tage zum fahren und ich muss sagen, das Gefühl auf dem Bike zu sitzen und zu fahren ist ein Gefühl, was man nicht beschreiben kann und nur der Biker kennt!
    Das die Gefahr da ist, ist uns allen sicher bewusst und es gibt im jedem Bereich schwarze Scharfe, die keine Rücksicht zeigen und andere mit gefährden!
    Wie viele Motorradfahrer sterben denn, an Selbstüberschätzung?
    Wenn man sich selber an gewissen „Regeln“ hält, ist doch die Gefahr schon um 50% reduziert!
    Und ich kann euch nur Recht geben, es gibt 1000 andere Dinge, die sicher gefährlicher sind!
    Wünsche allen eine Gute fahrt:-)

  5. Hallo zusammen,
    wenn ich aufs Motorrad steige, bin ich mir bewußt, dass dieser Sport gefährlich ist. Wenn ich abends zurück bin von der Tour, habe ich stets das Gefühl, das ich meine Zeit doppelt gelebt habe.
    Bei diversen Umfallern und einigen fast-Abschüssen stelle ich mir jedesmal aufs neue die Frage, ob ich den Sport weitermachen will.
    Ich kann noch soviel aufpassen, und muß nicht selber schuld sein, WENN mir etwas passiert. Eine Bekannte ist morgens um 6 Uhr an einem Zebrastreifen überfahren worden … nur mal eben zum Brötchenholen war sie weg.

    Es kann einen immer, jederzeit und überall treffen. Was beim Blechdosenfahren glimpflich ausgehen KANN, bricht mir im günstigsten Fall die Wirbelsäule.

    Es ist und bleibt ein Sport, der ein Risiko birgt – ob es hoch ist, muß jeder selbst entscheiden.
    Ich bevorzuge frühe Morgenstunden und einsame Strecken, die unattraktiv für Kurvenliebhaber oder Möchtegerne-Blechdosen-Rennsportler sind. Und auch dort kann mir etwas zustoßen …
    Eine rasante Kurvenhatz oder eine turbomäßige Rennfahrt auf der Autobahn bringen Adrenalin – und es wäre fatal, diese Wirkung niederzureden. Es kann süchtig machen …
    Euch allen trotz allem! allzeit aufmerksame Fahrt und … ja, auch ganz viel Schutz und Segen …
    Heike

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