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Angst und Schrecken an der Motorradfront

scary evil clown

Blutporno, Kreislaufkollaps, Polizei, Krusty der Clown, Rechtschaffenheit, Motorradcrash – dies alles und viel mehr gab es gestern bei einer Veranstaltung am Fahrsicherheitsgelände in Straßwalchen zu erleben. Es hat sich tatsächlich so zugetragen, wie in diesem Bericht (ich war nüchtern!).

Vorrausgeschickt sei, dass die Gastgeber – das Team des ARBÖ – einen grandiosen Job erledigten und keineswegs verantwortlich waren, dass irgendwie alles exorbitant aus dem Ruder lief. Ach ja, „Sicherheit ist käuflich“ war der Imperativ dieser „Informationsveranstaltung über Motorrad-Schutzbekleidung“.

Aber der Reihe nach:

15:00 Uhr

An die 200 Motorradfahrer im Alter jenseits der ccm ihrer Zweiräder parken ihre grau-schwarzen Limousinen vor dem ARBÖ-Gebäude, in dem ich einen Spätnachmittag erlebe, der in meinem Universum zwischen Gruselshows und Staubsaugerverkäufe seinen Platz finden wird. Der Motorradtyp „Beamter mit Rockeraccessoires“ ist zahlreich vertreten und wird von der Polizei – als Mitveranstalter – höflich in den Vortragssaal eskortiert. Viele durchaus nette Leute, aber auch nicht mehr. Begleitwerk: Ab und zu ein Flinserl, ein grimmiger Bart samt Seitenscheitel oder eine Krawatte, die unter der „Racer“-Lederjacke vorsichtig hervorlugt, als würde sie den guten Absichten dieser Veranstaltung nicht gänzlich trauen. Ein Riegel mit Genre Ich-wär-so-gern-ein-Rocker-Boss befiehlt seiner Gang sich „versetzt zu platzieren“ – eine Weisheit, die er wohl aus irgendeiner Festschrift über Gruppenausfahrten her hat.

15:15 Uhr
Start

Begrüssungsworte von Günther Frühwirth, Geschäftsführer ARBÖ Straßwalchen. Bislang alles im grünen Bereich. Was sich bald ändern sollte.

15:20 Uhr
Lasst die Spiele beginnen!

Manfred Schnitzhofer, in Funktion als Präsident der Redbiker Salzburg und optisch an das Musketier Athos erinnernd, eröffnet das Hochamt auf Schutzbekleidung und redet von Prävention und Airbag, so als würde sich das Ding bereits vor dem Sturz aufblasen. Ich bin weiterhin guten Mutes.

15:20 Uhr

Christian Sommerlat, ein Motorradpolizist, versucht das Publikum mit Humor a la Musikantenstadl in Stimmung zu bringen, was ihm auch gelingt. Motorradfahrer spuren! Sein Resümee: „Helmband schliessen!“, „Helm nicht verkehrt aufsetzen!“, „Kein Handy zwischen Helm und Ohr stecken!“ – ich fühle mich erniedrigt, weil nicht für voll genommen. Die Polizei knüppelt mich mit Ratschlägen nieder. Garniert wird das Ganze mit einem § 106 der KFG, der mir ziemlich wurscht ist. Als er in herablassender Art einen Teil der Motorradzunft als „Fans von Chrom und Eisen“ beschreibt, fühle ich mich angesprochen und so verliert er jeglichen Vertrauensvorschuss, dem ich ihm gewährt habe. Aus mir unerfindlichem Grund finden die Zuseher das alles sehr lustig.

15:40 Uhr

Ein Typ in Anzug, der aussieht als wäre er Rechtsanwalt und sich sogleich auch als solcher entpuppt, droht den Motorradfahrern mit 25% Kürzung des Schmerzensgeldes, sollten diese bei einem fremdverschuldeten Sturz keine adäquate Schutzausrüstung tragen. Mit derselben Kriegserklärung schüchtert er auch gleich den Radfahrer ein, falls dieser ohne Sturzhelm Kopfverletzungen davontragen sollte. Kurz: Ein schwächelnder Auftritt von Dr.Gastenauer, einem Downlight der Veranstaltung. Aber was jetzt folgen sollte, übersteigt meine kühnsten Vorstellungen von Abschreckung und Angstmache. Lungenkrebsbilder auf Zigarettenpackung sind dagegen Kindergeburtstag!

15:50 Uhr

Auftritt Dr. Mondl, Sadist und Unfallchirurg am Lorenz Böhler Unfallkrankenhaus. Ich ahne was jetzt kommt: Blut! Trotzdem verlasse ich – Masochist – nicht den Saal. Er arbeitet sich durch alle mögliche Körperteile, die man zerfetzt fotografieren kann. Startschuss gibt die Abbildung einer geöffneten Schädeldecke. Auf der ppt.-Präsentation erkenne ich offengelegte Gehirnwindungen, die mir gereizt entgegenbrüllen: „Fick Dich, Doc! Du kannst doch kein Nacktfoto von mir ins Plenum stellen. Shame on you!“ Als die Blutung schweigt, höre ich immer lauter werdendes Röcheln auf den hinteren Plätzen. Ein Mann kollabiert zwischen aufgehängten Airbagjacken. Grund: Zu wenig Sauerstoff, zu viel Blut. „Wir Motorradfahrer sind Waserln“ texte ich schnell meinem Freund Hans in den Messenger, während Dr.Mondl sich um den komatösen Zweiradfan bemüht. Gottseidank war der Sadist der einzige Arzt im Raum, dies bescherte uns eine erholsame Unterbrechung seiner Horrorshow voller hohler Phrasen und gefüllten Blutbeuteln.

16:20 Uhr

Gerne würde ich nun ebenfalls ins Koma fallen, wenn nicht Wolfgang Illek diese willkommene Erste-Hilfe-Pause mit spannendem Input füllen würde. Illek weiss leider wovon er spricht. Er hat das, was der Sadist zuvor in bestialischer Form visuell auf Leinwand projizierte, in Praxis erlebt – einen Querschnitt. Illek arbeitet für „Wings for Life“ – einer Stiftung für Rückenmarksforschung. Erstmals an diesem Nachmittag höre ich wirklich interessiert zu. Der Mann hat etwas zu sagen. Es geht mir nahe. Anders als die Redner zuvor, die mir Unbehagen und Schauer über den Buckel predigten, trifft mich Illek mitten ins Herz. Ich hatte selbst einen Freund, der ab dem 4.Halswirbel gelähmt war. Bei meinem Freund war es das Wellenreiten, bei Wolfgang Illek der Radsport, nicht das Motorradfahren. Leider war Illeks Vortrag bald wieder vorüber und Dr.Frankenstein führte sein rünstiges Werk weiter.

16:40 Uhr

Dr.Mondl, die Zweite: Blut, Knochenbrüche, wieder Blut, betretenes Tuscheln im Publikum, schon wieder Blut, Wegschauen, Fassungslosigkeit, Hinschauen, peinliches Gekicher, Blut, tiefes Durchatmen. Ich plädiere auf Jugend- und Altersschutz. Ich komme mir vor wie ein Kriegsberichterstatter, der beschämt ist, dem graust, der aber das Gefühl hat, doch darüber schreiben zu müssen. Darum bleibe ich im Saal. Mr.Mondls gähnendes Schlusswort: „Fahre nie schneller als Dein Schutzengel fliegen kann!“. Aberglaube für 5jährige!

17:00 Uhr

Gänzlich erschöpft vom Splatterreport, schrecke ich auf, als Krusty der Clown die Bühne erstürmt. Wenn auf Krusty’s Überkleid nicht AUVA in grossen Lettern gedruckt wäre, ich würde meinen ich wär in Springfield. Christian Kratzer, so der Künstlername von Krusty, erzählt, unter welchen Bedingungen ein Unfall als Arbeitsunfall taugt und somit im Falle eines Kapitalen die Kasse des Motorradfahrers klingeln lässt. Dies tangiert mich als Arbeitsverweigerer ohnehin nicht. Also schalte ich auf Durchlauf. Schnarch! Endlich vorbei!

Langsam nähern wir uns dem Höhepunkt der Veranstaltung – einer Stuntshow inkl. Airbag. Aber zuvor:

17:10 Uhr

Firma X präsentiert Airbag Y (dieser Blog ist und bleibt werbungsfrei!). Bla, bla, bla, bla. Airbag löst aus! Bla, bla, bla, bla! 

Aber jetzt: Die Stuntshow!

17:30 Uhr

Das mittlerweile von der Verkaufspräsentation weichgeklopfte Publikum wird gebeten nach draussen zu gehen, um Stuntfahrer Friedl Nöst bei seiner Aktion: „Ich, mein Sturz und der Airbag“ zuzusehen. Die ersten 10 Minuten muss ich gelangweilt ansehen, wie Evil „Nöst“ Knievel am Motocross-Bike auf Vorder- und Hinterrad zigmal auf und ab fährt, bis er auf einen mit Auslegern für ein Schräglagentraining präpariertes Motorrad umsteigt, um abermals gefühlte 35 Jahre die Fahrbahn rauf und runter zu brettern. Endlich der Hollywood-Sturz, besser gesagt das sachte Hinlegen bei 5 km/h. Ich bin restlos enttäuscht. War das alles? Gibt mir 4,99 € und ich mach diesen Sesamstrassenrutscher mit rosa Baumwollhose. Der Airbag von Firma X hat ihm selbstverständlich das Leben gerettet 😉 Tragikkomisch war, dass ihn das im Kreis bockige Motorrad am Ende doch überrollte, da irgendetwas an der automatischen Motorabschaltung nicht funktionierte. Gratuliere! Risikomanagement vom Feinsten!

17:50 Uhr

Verkaufsshow von Motorradladen X für Bekleidung Y (siehe 17:10 Uhr)

18:00 Uhr

Motorradpolizist Karl „Sommerlat“ Moik beendet die Veranstaltung, wie er sie begonnen hat – mit flachen Witzen oberhalb der Gürtellinie. Abermals finden die Anwesenden ihre tiefsten Abgründe um darüber lachen zu können.

18:10 Uhr

Endlich: Kaltes Buffet! Das spar ich mir. Ich fahre lieber heim zu Frau und Kindern. Allein der Gedanke an sie macht mein Motorradfahren sicherer als jeder Airbag. Und das gänzlich kostenlos. „Sicherheit ist (scheinbar) käuflich“ – ich bin es jedoch nicht.

PS: Mir liegt am Herzen zu erwähnen, dass das Team vom ARBÖ keinerlei Verantwortung für diese 4-stündige Geisterbahnfahrt trägt.

Published inAllgemein

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