Springe zum Inhalt

Was kann ein Motorradfahrer von einem Besuch in einer Schokoladenfabrik lernen?

Tja, schräge Frage? Ich kann sagen: „Gar nicht so wenig.“ Vor drei Wochen war ich mit meinen risflecting©-Freunden auf Besuch in der Zotter-Schokoladenfabrik und durfte dabei viel über meinen Umgang mit Rausch, Risiko und Motorradfahren erfahren. (Die motorradspezifischen Sachverhalte sind im Text mit Zahlen versehen)

Jeder kann sich vorstellen, dass ich mir als hohes Ziel dieses Besuches, bei dem man an die 150 verschiedenen Schokoladensorten verköstigen kann, Abwesenheit von Übelkeit setze. Ich brauche dazu das nötige Gespür für „gesundes Maß“ (1). Im Vertrauen  auf meine Genussfähigkeit peile ich einen balancierten Zuckerrausch an. Soweit so gut.

Ich starte die Parabolica der Schokoladenkultur mit einem Vortrag in der Zotterbox, bei dem ich bereits vor der ersten Schikane gewarnt werde: „Vorsicht! Lassen Sie sich nicht vom ersten Schokoladebrunnen verführen, es ist 100%ige ungesüsste Bitterschokolade. Später kommt Besseres.“ 10 Minuten später löffelt fast jeder Besucher mit verbitterter Miene an ausgerechnet diesem Trog. So auch ich (2). Es schmeckt grässlich.

Ich komme in einen Raum mit dem Thema „Tankstelle – Tanken Sie Kuvertüre mit ansteigendem Kakaoanteil“. Mit stufenweiser Erhöhung von 10 bis 40 Prozent, liess ich die restlichen Stärkegrade aus und peile das Schild „GRENZWERTIG“ an – Untertitel: „90%“. Ich denke mir, das wird mir den Kick verpassen, als ich im Augenwinkel die Überschrift „GRENZÜBERSCHREITUNG“ – 100% Kakaoanteil erspähe. Leider hängen an diesem Tropf bereits mehrere Junkies, hinter denen ich mich für den Geschmacksthrill anstelle. Wie erwarten: SAUBITTER! (3)

Nach ein paar Schluck Leitungswasser geht es nun in die „Knackerei – Ent(ver)führt Sie Stück für Stück in die Welt des Kakaos“. Gefühlte 100 Sorten feinster Zotterschokolade in Miniaturausführung zur Verkostung. Nach fünf gekauten Schmankerln Fruchtschoko macht mich mein Freund Tim aufmerksam, dass ich nicht beissen, sondern die Schokolade auf der Zunge zergehen lassen soll – des Genusses wegen (4). Genuss schön und gut – ein Pulk von einer Reisegruppe im Nacken und vor mir der Slow-Food-Papst, ein ca. 9jähriger Knilch der jedes Stück über die Mundschleimhaut zu inhalieren versucht. Nach einer Weile setze ich zum Überholmanöver an, obwohl ich dadurch auf mehrere lecker klingende Sorten verzichten muss (5). So, nun kann ich meinen Genuss-Speed selbst wählen, leider meldet sich nun mein Magen mit leisen Grizzlylauten und gibt mir zu verstehen, wirklich nur mehr die Highlights zu kosten. Geschafft! Mir gehts noch einigermassen gut.

Nächste Sonderprüfung: „Trinkschokolade online“ – die kleinste Doppelmayr-Gondelbahn der Welt serviert mir exotische Trinkschokoladen. Ich hol mir von der Bar ein Glas heisse Milch und flaniere durch den Raum, um mir die passende Sorte zu wählen. „Chili Bird‘s Eye“, „Götterdrink“, „Regenwaldwunder“ um nur einige zu nennen – geschüttelt oder gerührt. Hey, ich muss mich beeilen, meine Milch wird kalt, ich kann mich nicht entscheiden, ich wähle konservativ „Honig-Zimt“, damit der Schokoladenblock sich auch noch in etwas Trinkbares verwandeln kann (gerührt – versteht sich). Ergebnis: ZUCKERSCHOCK! (6)

In den Seilen taumelnd – angeknocked wie Sugar Ray – wanke ich an den „Mitzi Blue Turntables“ einer Vinylsammlung aus Schokolade vorbei – nein, doch noch eine Kleinigkeit von „Hanfplantage“ und „Liebeshimmel“ genascht (7).

Jetzt: die „balleros Kesselbar“. Völlig genussfrei konsumiere ich – anästhesiert durch Zuckerrohr – kleine in Schokolade gerollte Knabberstückchen, die in meinen Magen plumpsen wie Kanonenkugeln. Mein Körper bettelt nach Insulin.

Jetzt der Epilog – „Running Chocolate“. Aus kleinen Schiffchen hämisch grinsende Schokoladenstücke sagen mir „Du hast versagt!“ Aus Rache müssen handgeschöpfte „Sauerstoff“- und „Zitronenpolenta“-Teilchen dran glauben.

Den Zotter-Shop verlasse ich schweigend mit zwei 12ml Schokospritzen „Desinfektion“ – „der Genuss-Kick ohne Nebenwirkungen“. Draussen treffe ich meine Rausch&Risiko-Freunde. Ihr Anblick verrät kollektive Seekrankheit am Schokomeer. Ein Gefühl der Verbundenheit macht sich breit, „Ich bin nicht allein!“. Niemals in meinem Leben wird die Intensität meiner Vorfreude auf Schlachtplatte àla steirischer Buschenschank diese Sphären erreichen. (8)

RISFLECT, risk’n’ride, Dieter

Ein Kommentar

  1. Michael Michael

    Ja Dieter, das ist eine sehr treffende Beschreibung einer Gratwanderung zwischen scheinbaren Genuss, der ständig in kleinen Schildern eingemahnt wird bei Zotter und dem tatsächlichen Angebot, dass mit Genuss aber nicht das Geringste mehr zu tun hat, sondern eher mit Schlaraffenlandvision. Wobei ich mir das Schlarafenland etwas weniger steril und atmosphärisch etwas angenehmer vorstelle…. Serielle Schokomanie kommt mir dabei in den Sinn, oder wenn ich nur aufhören könnt…. Aber wie soll ich das alles kosten ohne es auszuprobieren? Wasch mich aber mach mich nicht naß! Irgendwie geht sich das nicht ganz aus. Aber seien wir doch ehrlich: beim Heurigen war alles wieder gut!
    🙂

Schreibe einen Kommentar