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Palmanova – Der Hauch des Todes

Palmanova
Die Strada statale 352 di Grado führte mich mitten ins Herz von Palmanova. Dieses kleine Städtchen am Weg zur Adria hinterliess in mir einen fahlen Nachgeschmack. Ein Geruch des Todes, des Unlebendigen liegt in der Luft. Irgendwie unterscheidet sich dieser Ort von all den anderen italienischen Städten, die ich wegen ihrer Regheit und Lebenslust so liebe. Einen ganzen Abend quälte mich die Frage, was Palmanova so anders macht. Warum zaubert mir dieser Ort ein Schaudern unter die Haut?

Nachdem ich mein Bike in Schlaf gesungen hatte, beginne ich am Zwergendisplay meines iPhones über dieses düstere Städtchen zu recherchieren. Das Ergebnis erstaunt mich. Palmanova wurde nur für einen Zweck erbaut: Verteidigung.
Ähnlich dem Motorradfahrer, der sich mit möglichst viel elektronischen Assistenten gegen das Risiko rüstet, war der Plan der Gründer Palmanovas eine Absicherung bis ins letzte Detail. Ein ausgefuchstes Gefüge von Schutzwällen und Befestigungsanlagen mit unterirdischen Gängen und heimtückischen Gräben, kriegerischen Mauern und Hochsicherheitstoren erinnert an einen bis zur Perfektion mit Sicherheitsgadgets ausgestatteten Motorradfahrer. Der Kerker als D-Air(bag). Die Befestigungsanlage als Wheelie-Stop.

Stammt der hyperkontrollierte Motorradfahrer, dessen Leidenschaft mehr im Safety-Shopping statt an der Ideallinie verankert ist, etwa aus Palmanova?
Ursprünglich für 20.000 Bewohner geplant, wird das kleine Städtchen derzeit nur von an die 5000 Personen bevölkert. Meist nannten nicht mehr als 2000 Menschen diesen Ort als ihre Heimat, viele von ihnen Soldaten und Strafgefangenen „auf Befehl“. Ihnen wurde die „Freiheit“ geschenkt, wenn sie nur in diese Hochsicherheitsstadt zogen. Erinnert mich an die „Neue Freiheit“ des Motorradfahrens.

Palmanova2
Palmanova ist nicht die Zwillingsschwester des Grössenwahns technischen Verkehrssicherheit, vielmehr ein gesellschaftlicher Alptraum, in dem möglichst wenig Risiko zur Leblosigkeit führt. Palmanova dient als Metapher einer Haltung, die verlernt hat, Leben zu wagen.

In Zukunft werde ich mein Bike mit Ausweichhaken um dieses Städtchen manövrieren. Dies wird mir dank lusttrunkener Städte wie Venedig, Udine und Triest nicht wirklich schwer fallen.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass wir Motorradsicherheit nicht mit militärisch-kapitalistisch-technokratischen Schnickschnack erlangen, sondern vor allem durch innere Wappnung und Befreundung mit Risiko und Leben.

risk’n’ride,
Dieter

Published inAllgemein

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