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Monat: Januar 2012

Wie gefährlich ist Sicherheit?

In seinem Buch „Gefährliche Sicherheit: Lust und Frust des Risikos“ (Hirzel, Stuttgart 1990) schreibt Felix von Cube auch einige Zeilen über das Motorradfahren, die mir interessant erscheinen. Er gibt dem Leser einen kleinen wissenschaftlichen Einblick in das Risikoempfinden und die Motivation von Motorradfahrern. Hier der Text:

Felix von Cubes Sicherheits-Risiko-Gesetz lautet: „Je sicherer man sich fühlt, desto größer ist das objektive Risiko, das man eingeht oder aufsucht.“ Wäre nun interessant, ob ich mir mit Traktionskontrolle, ABS oder Talisman auch höhere Geschwindigkeiten gönne.

Sehr lesenswertes, obwohl nicht motorradspezifisches Buch!
risk’n’ride,
Dieter

The Winner is: Der Pate!

Letzten Donnerstag durfte ich einer Sause der besonderen Sorte beiwohnen. In der Ovalhalle im Wiener Museumsquartier wurde der erste Ashoka Fellow Österreichs ernannt und the winner is: Gerald Koller!

Fürs Verstehen: Was ist „Ashoka“?

Ashoka ist die erste und größte internationale Non-Profit-Organisation zur Förderung von sozialem Wandel. Als sozialer Investor sucht und fördert Ashoka seit 1980 in fast 70 Ländern Social Entrepreneurs – Frauen und Männer, Changemaker, die mit innovativen, nachahmbaren Konzepten gesellschaftliche Probleme lösen.

Wer aber ist nun Gerald Koller?

Gerald ist niemand geringerer als der Pate dieses Blogs. Er entwickelte einen Ansatz zum gesunden Umgang mit dem Thema Rausch und Risiko: „Jeder Mensch tendiert dazu Risiken einzugehen. Zu einem ausgewogenen und gesunden Leben gehören, neben Sicherheit und Geborgenheit, auch das Erleben und Genießen von außergewöhnlichen Erlebnissen. Bei fehlender Risikokompetenz können sie jedoch zur Gefahr werden. Damit man beim Erleben von Risiko die Gefahrengrenze nicht überschreitet, ist Risikokompetenz in diesen Situationen unverzichtbar.“

Gerald Kollers Ansatz:

risflecting

Das Ziel von risflecting© ist, drei Kompetenzen im Umgang mit Rausch- und Risikosituationen zu erlernen:

TAKE A BREAK
Als Vorbereitung auf eine Rausch- und Risikosituation soll eine bewusste Auszeit genommen werden, in der man sein Umfeld aktiv wahrnimmt und beurteilt. Wo bin ich? Mit wem bin ich unterwegs? Wie ist meine körperliche und physische Verfassung?

LOOK AT YOUR FRIENDS
Wenn man in einer Gruppe unterwegs ist, soll einem die soziale Verantwortung gegenüber seinen Mitmenschen bewusst sein. Viele Unfälle in Rausch- und Risikosituationen können verhindert werden, wenn die Gruppe aufeinander achtet.

REFLECT
Das Reflektieren und Aufarbeiten der Rausch- und Risikosituation am Tag danach, nicht nur quantitativ, sondern auch gefühlt, hilft aus dem Erlebten für die Zukunft zu lernen.

Was dies alles mit Motorradfahren zu tun hat? Vieles! Einiges davon habe ich bereits versucht auf diesem Blog in und zwischen den Zeilen wiederzugeben. Es gibt noch mehr. Lasst Dich überraschen,

Risflect!
risk’n’ride, Dieter

Bikerpornos zwischen Soft- und Hardcore (Adults Only)

Wie manche von Euch schmökere auch ich ab und zu auf Motorradseiten im Internet und immer wieder begegnen mir hier Videos – meist hochgeladen von oder verlinkt mit youtube.com. Was mir dabei auffällt ist die überdurchschnittlich hohe Anzahl von grausligen Unfallvideos – wenige zum Schmunzeln, viele zum Wegschauen. Warum besitzen wir Motorradfahrer so viel Interesse, oder viel mehr Lust, anderen Bikern bei einem Kapitalen zuzusehen. Es gibt meines Wissens kein Bergsteigerportal an dem man ununterbrochen Kletterer auf Felsen klatschen sieht. Ok, der Unterschenkelbruch des österreichischen Skifahrers Matthias Lanzinger wurde auf Videoportalen 1.000.000fach angeklickt. Der  geballten „Gaffermentalität“ von uns Motorradfahrern kann dies jedoch nicht annähernd das Blut reichen. Ist uns der Horror im Sehnerv beheimatet oder quetschen wir damit die letzten Reste unserer Nebennierenflüssigkeit in unsere Gehirnwindungen?

Ich hab mich, der ich an diesen Filmchen bisher wenig interessiert war, àla Clockwork Orange vor die Glotze geschnallt, um zu sehen was meine Neurotransmitter dazu sagen. Meine Wahl für den Selbstversuch fiel auf gaskrank.de, seinerseits vielbesuchtes Motorrad Video Portal. Ich erkannte rasch: da ist ein Quell gezähmten Nervenkitzels.

Mit genügend Abstandssicherheitsrahmen beobachte ich Frontalzusammenstösse, Überschläge, High- und Lowsider en masse, Blutzoll im Überschuss, wissend, dass der Tiger, die Bestie im Käfig bleibt. Trotzdem konnte ich einen angenehmen Nervenkitzel spüren, der sich in Langeweile wandeln würde, gäbe es den Tiger nicht und pure Todesangst wäre kein Käfig vorort. Diesem Synapsenrodeo bedarf also beidem – Risiko und Sicherheit. Gitterstäbe alleine wären kein gelungenes Schauspiel. Ab und zu öffnet sich das Gehege und mein Sicherheitszone bricht zusammen – es wird mich „zuviel“, ich muss wegschauen. Gleich wieder einen schnellen Blick riskiert, stiere ich – abgekoppelt von den Bedrohungen der realen Welt, des pickelharten Asphalts, der messerscharfen Leitplanken und des entgegenkommenden 50-Tonner – in die Tiefen meiner Angstlust. Ich erkenne, je mehr Erregung ich möchte, umso mehr muss ich mich hineinfühlen, mich mit dem Leinwandhelden in der „Verzauberten Zone“ identifizieren. Räumlicher Abstand ja, emotionaler nein.

Stephen King hat sich schon mal gefragt, „warum so viele Leute bereit sind, viel Geld dafür hinzublättern, dass man ihnen extremes Unbehagen bereitet“. Ok, zugegeben, auch ich habe Vieles dabei genossen, und das umso mehr, je intensiver ich dabei fühlte. Ich war der lebende Beweis, dass Verkehrssicherheitsfilme nichts bewirken können, die sind zuviel Käfig, zu wenig Tiger.

Nun konzentriere ich mich auf die Szenen in denen mein Abstandsrahmen zusammenbricht, in denen der Unfallporno zu sehr Hardcore wird, der Käfig sich beginnt aufzulösen und mir der Schrecken in die Glieder fährt. Von Genuss keine Spur. Erinnerungen an Luis Buñuel und Salvador DaIìs Meisterwerk „Ein andalusischer Hund“ werden wach. Adrenalin overdosed.

„Der Andalusische Hund“ (1928)
(für Ungeduldige und Nicht-Cineasten: die Bestie erscheint zwischen min 0:57 – 1:38,
für Sensible: Hand vors Gesicht und Kinder weg vom Bildschirm):

Ich erkenne für mich, dass auch in der Blutpornographie eine Balance für optimales Wohlgefühl existent sein muss. Irgendwo zwischen purer Langeweile und Todesangst, gibt es ein kleines Stückchen Land mit einem Zaun, hoch genug, um den Tiger draussen zu halten, durchlässig genug, um den Dschungel zu erforschen. Ein Garten im optimalem Tätigkeitsrausch, zwischen Unter- und Überforderung. Ich würde hier mein Häuschen bauen.

Hier noch eine Frage an die Mädls von www.frauen-am-motorrad.at und fembike.de: Gehts Euch ähnlich? Bei aller Genderness: anderer Hormonhaushalt, andere Neurorausch? Mir schwant, diese „Gaffermentalität“ könnte mehr testosteronlastig sein.

Küss die Hand,
risk‘n‘ride,
Dieter