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Bikerpornos zwischen Soft- und Hardcore (Adults Only)

Wie manche von Euch schmökere auch ich ab und zu auf Motorradseiten im Internet und immer wieder begegnen mir hier Videos – meist hochgeladen von oder verlinkt mit youtube.com. Was mir dabei auffällt ist die überdurchschnittlich hohe Anzahl von grausligen Unfallvideos – wenige zum Schmunzeln, viele zum Wegschauen. Warum besitzen wir Motorradfahrer so viel Interesse, oder viel mehr Lust, anderen Bikern bei einem Kapitalen zuzusehen. Es gibt meines Wissens kein Bergsteigerportal an dem man ununterbrochen Kletterer auf Felsen klatschen sieht. Ok, der Unterschenkelbruch des österreichischen Skifahrers Matthias Lanzinger wurde auf Videoportalen 1.000.000fach angeklickt. Der  geballten „Gaffermentalität“ von uns Motorradfahrern kann dies jedoch nicht annähernd das Blut reichen. Ist uns der Horror im Sehnerv beheimatet oder quetschen wir damit die letzten Reste unserer Nebennierenflüssigkeit in unsere Gehirnwindungen?

Ich hab mich, der ich an diesen Filmchen bisher wenig interessiert war, àla Clockwork Orange vor die Glotze geschnallt, um zu sehen was meine Neurotransmitter dazu sagen. Meine Wahl für den Selbstversuch fiel auf gaskrank.de, seinerseits vielbesuchtes Motorrad Video Portal. Ich erkannte rasch: da ist ein Quell gezähmten Nervenkitzels.

Mit genügend Abstandssicherheitsrahmen beobachte ich Frontalzusammenstösse, Überschläge, High- und Lowsider en masse, Blutzoll im Überschuss, wissend, dass der Tiger, die Bestie im Käfig bleibt. Trotzdem konnte ich einen angenehmen Nervenkitzel spüren, der sich in Langeweile wandeln würde, gäbe es den Tiger nicht und pure Todesangst wäre kein Käfig vorort. Diesem Synapsenrodeo bedarf also beidem – Risiko und Sicherheit. Gitterstäbe alleine wären kein gelungenes Schauspiel. Ab und zu öffnet sich das Gehege und mein Sicherheitszone bricht zusammen – es wird mich „zuviel“, ich muss wegschauen. Gleich wieder einen schnellen Blick riskiert, stiere ich – abgekoppelt von den Bedrohungen der realen Welt, des pickelharten Asphalts, der messerscharfen Leitplanken und des entgegenkommenden 50-Tonner – in die Tiefen meiner Angstlust. Ich erkenne, je mehr Erregung ich möchte, umso mehr muss ich mich hineinfühlen, mich mit dem Leinwandhelden in der „Verzauberten Zone“ identifizieren. Räumlicher Abstand ja, emotionaler nein.

Stephen King hat sich schon mal gefragt, „warum so viele Leute bereit sind, viel Geld dafür hinzublättern, dass man ihnen extremes Unbehagen bereitet“. Ok, zugegeben, auch ich habe Vieles dabei genossen, und das umso mehr, je intensiver ich dabei fühlte. Ich war der lebende Beweis, dass Verkehrssicherheitsfilme nichts bewirken können, die sind zuviel Käfig, zu wenig Tiger.

Nun konzentriere ich mich auf die Szenen in denen mein Abstandsrahmen zusammenbricht, in denen der Unfallporno zu sehr Hardcore wird, der Käfig sich beginnt aufzulösen und mir der Schrecken in die Glieder fährt. Von Genuss keine Spur. Erinnerungen an Luis Buñuel und Salvador DaIìs Meisterwerk „Ein andalusischer Hund“ werden wach. Adrenalin overdosed.

„Der Andalusische Hund“ (1928)
(für Ungeduldige und Nicht-Cineasten: die Bestie erscheint zwischen min 0:57 – 1:38,
für Sensible: Hand vors Gesicht und Kinder weg vom Bildschirm):

Ich erkenne für mich, dass auch in der Blutpornographie eine Balance für optimales Wohlgefühl existent sein muss. Irgendwo zwischen purer Langeweile und Todesangst, gibt es ein kleines Stückchen Land mit einem Zaun, hoch genug, um den Tiger draussen zu halten, durchlässig genug, um den Dschungel zu erforschen. Ein Garten im optimalem Tätigkeitsrausch, zwischen Unter- und Überforderung. Ich würde hier mein Häuschen bauen.

Hier noch eine Frage an die Mädls von www.frauen-am-motorrad.at und fembike.de: Gehts Euch ähnlich? Bei aller Genderness: anderer Hormonhaushalt, andere Neurorausch? Mir schwant, diese „Gaffermentalität“ könnte mehr testosteronlastig sein.

Küss die Hand,
risk‘n‘ride,
Dieter

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