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Gottlob! Die Zahl der verunglückten Motorradfahrer steigt wieder

Heute wäre eine Präambel nicht schlecht: Es geht hier nicht um persönliche Schicksale sondern um absolute Zahlen (Nur um den Moralisten gleich einmal den Wind aus den Segeln zu streichen). Thema: Die in den vergangenen 18 Monaten gestiegene Anzahl tödlich verunglückter Motorradfahrer und den dadurch erwachsenen Profit. Anlass: Die 7 auf österreichischem Asphalt tödlich verunglückten Motorradfahrer am Pfingstwochenende 2014. (Hochgerechnet auf Deutschlands Einwohnerzahl hätten in der Bundesrepublik 70 Biker einköpfeln müssen – es waren „nur“ 15 an der Zahl.)

Die Medien beweinen den hohen Blutzoll auf den Strassen der Alpenrepublik und es wird bereits in der Zauberkiste nach Maßnahmen contra dem Risiko gestöbert. Aber ist es wirklich so schlimm, wenn sich die Unfallstatistik wieder mal gegen die Decke streckt? Mitnichten!

In den vergangenen 30-40 Jahren war es ein Leichtes mit Verkehrssicherheit Geld zu verdienen. Egal was man präventiv oder rehabilitativ auf den Markt warf, es war automatisch von Erfolg gekrönt. Jede noch so unsinnige Maßnahme surfte auf der Welle abnehmender Unfallzahlen. Dass jedoch – um nur ein Beispiel zu nennen – signifikant weniger Kinder auf der Straße sterben, hat nur teilweise mit erhöhter Verkehrssicherheit zu tun. In Wahrheit bringt der Wahnsinn auf unseren Strassen Mama und Papa dazu, die Kinder per Auto in Kindergarten und Schule zu chauffieren. Es sind einfach keine Kinder mehr auf der Strasse um sie platt zu fahren. Nichts mit „mehr Verkehrssicherheit“.

Aber wie können wir von einem MEHR an Motorradtoten profitieren? Dazu ein kleiner Exkurs über gesunde Entwicklung:In heutigen Zeiten, in denen wir auf eine männliche Entwicklungskultur der Dauererektion setzen – alles muss wachsen, alles soll noch größer, stärker, höher, effizienter, noch sicherer werden – ist ein Anstieg an Unfallzahlen schlichtweg eine Katastrophe. Aber Dauererektionen sind bekanntlich eine urologische Krankheit. Sie machen das Hirn blutleer. „Wehe unsere Wirtschaft wächst nur um 0,2%„. „Wehe es gibt wieder mehr verunglückte Motorradfahrer„. Das Scheitern ist verboten. Fehler sind nicht akzeptabel.

Kontemporäre Wissenschaft ist sich jedoch einig: mit diesem Denkmodell fährt eine Gesellschaft mit Vollgas gegen die Wand. Modernes Denken setzt diesem Dauerständer ein anderes, menschendienlicheres Entwicklungsmodell gegenüber – die Spirale. In spiralförmigen Entwicklungen sind Ruhepausen, Chillout und Langsamkeit erlaubt, ja erwünscht. Das Scheitern ist als Chance inkludiert. Zwar führt uns nicht jeder Misserfolg zwangsläufig auf das nächste Level des Menschseins. Er beinhaltet jedoch die Möglichkeit sich auf neue Ebenen zu entwickeln und zu wachsen.

Eine Gesellschaft muß den Mut haben zu scheiternd. Nur dann werden wir geSCHEITER. Deshalb freut mich, dass in letzter Zeit wieder mehr Motorradfahrer das Zeitliche segnen. Nur in Phasen der Krise und des Misserfolgs werden Maßnahmen reflektiert und hinterfragt. Im Erfolg ändern wir meist gar nichts oder „never change a winning team„. Jetzt wäre es an der Zeit diverse Verkehrssicherheitspakete  aufschnüren und alle darin enthaltenen Maßnahmen auf den Tisch zu legen. Und vor allem braucht es Courage und Mut, Verstaubtes und Unnützes in den Müll zu entsorgen, um eine neue Sicherheit für uns Motorradfahrer entstehen zu lassen.

Daher hat es auch etwas Gutes, wenn die Zahl der getöteten Motorradfahrer wieder anzieht. Es wurde langsam Zeit.

risk’n’ride
Dieter

3 Comments

  1. Sehr mutig Dieter, und vollkommen richtig.

    Auch so eine Perversion: Beim Kindergarten wird kein Zebrastreifen aufgepinselt, weil die Autofahrer ohnehin nicht stehen bleiben. Besser ist es ohne Übergang, dann müssen die Kinder/Eltern aufpassen, und es passiert weniger. Weil auf Zebrastreifen hat man eh schon so viele Unfälle. Das ist die offizielle Begründung des Herrn Bürgermeisters, kein Scherz.

  2. Michael Glatt Michael Glatt

    Der Leitplankenunterfahrschutz MEHRSI und der Verzicht auf die Bitumenschmierereien wäre schon mal ein guter Anfang. Dass jedes WE Menschen beim Baden ersaufen, Sportler/Bergsteiger tödlich verunglücken und Leute sich zu Tode saufen, stört niemanden, aber wenn ein Motorradfahrer verunglückt, dann melden sich besonders die zu Wort, die noch nie auf einem Motorrad gesessen sind, um dem „Problem“ Abhilfe zu schaffen. Zahlen sagen, dass jeder 4.Tote auf unseren Straßen ein Biker ist und von denen nur 2% ihren Unfall selbst verschuldet haben. Die anderen 3 Toten scheinen egal zu sein, der 1 Biker ist wichtig.

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