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Ein Freischaden für den Müll

Erst gestern fliegt mir ein Umschlag in den Briefkasten. Der Inhalt ist ein Schreiben meiner KFZ-Versicherung. Aus einem lustlosem Rechtsdeutsch übersetzt steht darin geschrieben: Zahlen Sie einmalig € 24,50 und wir gewähren Ihnen einen Freischaden!“
Man muß schon einen Gewaltigen an der Waffel haben, wenn man diesen Betrag auf deren Konto überweist. Gewährten sie mir Sicherheit, ich würde noch einmal darüber schlafen. Aber Freischaden?! Ich stell mich in den Mittelkreis meines Wohnzimmers und versenke einen Freiwurf im Rachen des nächstgelegenen Papierkorbs. 1:0 für Dieter! Mann, tut das gut.

Freischaden“ – ein Kandidat für das Unwort der Menschheit. Wovon kann ich mich damit bitte frei kaufen?
Diese Versicherungspflicht überhaupt. Sie hat seit dem 19.Jahrhundert für die Industrie und Großkonzerne, später auch für alle Motorradfahrer, das Verhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit gänzlich revolutioniert. Durch einen meist monatlichen finanziellen Ablasshandel kann jedermann Freiräume für sein Scheitern alias Freischäden erwerben. Somit kann BP die nächste Bohrinsel gelassen in der Karibik versenken und jeder Biker seelenruhig sein Ross zu Schrott fahren. Ein Freischaden ist ja ohnehin um € 24,50 gewährt. Alle sind vor- und rückversichert. Weder Konzerne noch Motorradfahrer scheuen so die finanziellen Konsequenzen ihrer Fehler.

Wie würden Großkonzerne jedoch handeln, müssten sie die Folgekosten ihrer Unfälle selbst bezahlen? Wie würden wir wohl unsere Wochenendrunde ziehen, wären wir unversichert und der Unsicherheit zumindest monetär gänzlich ausgeliefert? Würden Unfall-, Haftpflicht- und Krankenversicherung die Folgekosten nicht übernehmen, würden wir dann trotzdem Motorradfahren?
Es scheint, dass in unserer Vollkaskogesellschaft wieder mal das Kapital die Triebfeder ist. Geld flexibilisiert die Grenzen von Freiheit und Sicherheit. Einerseits ist das gut so, denn ich persönlich würde das Risiko Strassenverkehr höchstwahrscheinlich meiden, gäbe es kein Taschengeld für Asphaltausschlag. Andererseits, 100% Sicherheit kann der Bauchladen der Versicherer auch nicht bieten. Es bleibt mir also nicht anderes übrig, als meine Grenze zwischen meiner Freiheit und meiner Sicherheit immer wieder neu zu verhandeln.

Anders gesagt, ich verzichte auf den gewährten Freischaden und somit auf ein Stückchen Freiheit, um mir letztendlich ein Quäntchen mehr an Sicherheit zu behalten.

risk’n’ride,
Dieter

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