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„I’m a Loser, baby“ – Eine neue Fehlerkultur beim Motorradfahren

Als ich mich gestern auf der Loser Panoramastrasse abwärts zwirbelte und beim Überholen eines Touristenbusses im Licht-Schatten-Gewirr eine radelnde Litfasssäule ála Lance Armstrong übersah und diese beinahe ins Jenseits beförderte, wurde mir klar, dass ich schon zu lange keinen Fehler beim Motorradfahren fabrizierte, der mich emotional derart aus der Bahn warf.


Ich erinnere mich an Bernt Spiegels Fehlerzähler und beginne bei der Heimfahrt jegliche Unregelmäßigkeit in meinem Fahren in die Waagschale zu legen: Summe = 21!
21 kleinere bis mittlere Abweichungen von meiner Vorstellung von perfektem Motorradfahren. Abgesehen von dem üblichen Geschwindigkeitsübertretungen zwecks angepasstem Risiko, sind da: eine unrund gefahrene Kurve, ein abruptes Abbremsen wegen Unkonzentriertheit, ein etwas zu forsches Beschleunigen in der Kurve ect. Alles kleine Fehlerchen, die ansonsten nicht oder nur wenig in mein Bewusstsein dringen, hätte ich mir nicht das Fehlerzählen als Auftrag erteilt.

Wieso will ich nicht so gerne dorthinsehen, wo ich manchmal scheitere? Schützt mich der Blick auf meine Unzulänglichkeiten nicht vor dem großen Crash? Was es für mich braucht ist eine neue Fehlerkultur, eine neue Blicktechnik.

Lernen kann ich nur durch Zweierlei: Erfolg oder Fehler. Verändern tut mich jedoch nur mein Scheitern. Nur dadurch werde ich geSCHEITER. Was soll ich schon ändern, wenn alles eitler Wonne ist?
Da ich mich nur verbessern kann, indem ich mich verändere, muss ich mich notwendigerweise auf meine Fehlhandlungen konzentrieren und diese dementsprechend würdigen. Klingt leicht, ist es jedoch keineswegs. Schon von kleinauf wurde mir eingeimpft, dass Scheitern nichts Gutes sei. Für Kinder heutzutage, die immer mehr funktionieren müssen statt Kindheit leben dürfen, ist der Fehler ein absolutes Tabu.

Loser Panoramastrasse

Auch wenn es hochtrabend klingen mag: Wir können den nächsten Generationen nur helfen, indem wir unsere Fehler und unser Scheitern würdigen. Ich schlage vor, wir steigen heute noch auf unser Bike und fangen gleich damit an. Statt einem verstohlenen „upps“ wird ein bewusstes „Thanx“. Ab heute bin ich dankbar für jeden kleinen Fehler, den ich begehe, denn nur der macht mich zu einem besseren Motorradmenschen.

In diesem Sinne: „I’m a Loser baby“,
risk’n’ride,
Dieter

4 Comments

  1. robert hammel robert hammel

    Hallo Dieter,

    eine sehr weise Erkenntnis. Ging mir auch schon so. Fehler sind da, um aus Ihnen zu lernen.

    Gruß
    Robert

    • Hallo Robert,
      ja, dass sag ich mir auch immer. Manchmal frag ich mich jedoch inwieweit ich zum Lernen bereit bin. Hier ein Beispiel von Donnerstag: Ich kam (mit dem Auto) am Sölkpass an einem schweren Motorradunfall vorbei – Hubschrauber inklusive. Mein erster (falscher) Gedanke: „In der Kurve könnt mir das nie passieren!“. Selbst überrascht, wie unbeeindruckt mich die Szenerie lässt, plane ich abends eine Motorradtour mit Freunden.
      Nicht, dass ich nach jedem solch einem Erlebnis an den Verkauf meines Motorrads denken sollte. Aber, dass Fehler – egal ob die eigenen oder die der anderen – so spurlos an einem vorbeiziehen können, stimmt mich manchmal pessimistisch was unser „Lernen aus Fehlern“ betrifft. Trotzdem, sie wären da, um aus ihnen zu lernen!
      Liebe Grüsse aus dem Salzkammergut,
      Dieter

  2. Detlef Wolter Detlef Wolter

    seh ich auch so und hab es selbst spüren müssen. Ein kurzer Blick daneben, schon kann es geschehen sein. Diesmal gings relativ günstig aus, nur n Schulterbruch, genagelt. Arm ausgekugelt und Daumengelenk ist nu versteift und op-mäßig verdrahtet. War gleich nach dem Anfahren, als der Vordermann(PKW) bremste. Da war es auch schon geschehen. Erst wirkte die Massenträgheit auf mich ein und dann der Asphalt.
    Unglücklicher Zufall, mit dem keiner rechnet. Doch es geschah.
    Fazit: auch wenn man noch so sorgfälltig fährt, es kann immer etwas passieren.
    I´m a loser

    • Hallo Detlef, ja, passieren kann immer etwas. Ich glaub, dass man die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls reduzieren kann. Einmal angenommen man unternimmt „alles“, um das Risiko zu minimieren (hier stellt sich die Frage, ob Motorradfahren dann noch Spass machen kann), bleibt „nur“ mehr das Restrisiko. Diese Unfälle nennen wir dann „Schicksal“ oder „Pech gehabt“. Die Unfälle wie Deiner lassen uns eventuell dieses Restrisiko wieder gewahr werden oder man findet doch einen Spot in der Fehlerkaskade, der zum Crash geführt hat und den man beeinflussen hätte können. Dies ist dann der Spot, von dem wir Lernen könnten.
      Aber das ist jetzt schon wieder etwas zu oberlehrerhaft geschrieben,
      liebe Grüsse,
      Dieter

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