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Monat: Juli 2013

Lebe Deine Traumdeutung!

Schweissgebadet wache ich drei Nächte in Folge aus meinem Schlaf und somit aus der Schräglage, während ich mit einem markenlosen Motorrad durch ruchbare Kurvenkombis brenne. Eigentlich bin ich ja keiner der seine Träumerein sortiert oder kartographiert, aber nächtliche Schwärmereien in Serienschaltung – sagt zumindest Dr. Freud – bestimmen den Kurs jeden Lebenskahns.

Natürlich, es könnte die sommerlichen Hitze sein, die mein Sandmänchen nächtens den glühenden Asphalt fräsen lässt oder aber auch der derzeit über den Bergen tanzende Vollmond, der wie ein trunkend schielender Zyklop am Horizont den Fels zum leuchten bringt. Da ich jedoch nur zu einem Teil der Naturwissenschaft anhänge, sitzt im mir ein düstere Aberglaube der besagt: „Deine Träume sind Dein Schicksal“. Mal sehen was die Psychoanalyse da zu vermelden hat. Meine Traumwelt muss also die Hosen runter lassen. Ich google „Traumdeutung“ und lande im Hafen eines schweizer Trauminterpreten:

Motorrad
Männlichkeit, Kraft, sich zur Schau stellen
Fragestellung:
Wie ‚heiß‘ bin ich? Wo in meinem Leben bin ich bereit, herrschaftlicher aufzutreten?
Allgemein:
Ein Zeichen für Stärke und Energie. Sie verfolgen Ihre Ziele mit großer Durchsetzungskraft. Das Motorrad ist aber vielleicht schwer zu lenken und unter Kontrolle zu halten. Sie müssen viel Disziplin zeigen, damit Sie nicht andere überfahren oder gar sich selbst in Gefahr bringen durch unkontrolliertes, übereifriges Verhalten.
Psychologisch:
Das Motorrad ist wie das Pferd oder Auto ein Mittel zur Fortbewegung auf der Lebensreise und versinnbildlicht zwar wie das Automobil das eigene Ich, das es zu bändigen gilt, warnt aber gleichzeitig davor, im Wachleben zuviel psychische Energie und Triebkraft zu verschwenden. Es verkörpert noch stärker als das Traumsymbol des Autos die seelische Energie des Träumenden. In Träumen von Jugendlichen tritt dieses Bild oft als Symbol für sexuelle Potenz auf. Fährt auf dem Sozius jemand mit, der sich an den Träumer klammert, kann das auf eine Person im Wachleben hindeuten, die man gern an sich fesseln möchte.
Volkstümlich (arabisch):
Achtung vor Gefahr und Verletzung
Volkstümlich (europäisch):
Motorrad sehen: verkündet einen schönen Ausflug, von dem nur die Erinnerung bleibt man wird in Beziehungsfragen den Überblick behalten
Motorrad selbst fahren: verkündet einen schönen Ausflug, der Folgen haben wird
jemand beim Motorradfahren beobachten: bedeutet Stagnation, wobei sich andere beruflich und persönlich weiterentwickeln.

Obwohl ich die arabische Kultur mit ihren Zusammenkünften in vernebelten Teestuben äusserst schätze, hoffe ich doch unbändig auf die europäische Version der Schicksalserfüllung, die mir doch einen schönen Ausflug mit Folgen prophezeiht. Urlaub, Du kannst kommen!

Live your interpretation,
risk‘n‘ride,
Dieter

Ratlos in der Autoschlange

Neulich schnecke ich auf meinem Motorrad mitten im Verkehrsstau dahin. Zum Vorbeischlängeln und Zwischendurchschummeln ist es eindeutig zu schmal und den Weg durch die Botanik versperrt eine dieser todesbringenden Leitplanken. Auf meinem mentalen Bordcomputer drück ich infolgedessen den Chillout-Knopf, als plötzlich jemand auf meine Fahrspur wechseln will. Nun erwächst in mir folgendes Problem: Wenn ich diese Dose auf meine Spur lasse, fühle ich mich erfahrungsgemäß anständig und selbstlos. Wenn ich jedoch sehe, wie andere Fahrzeuge vor mir diese Karre in meine Spur lassen, fühle ich mich beschissen. Ich ärgere mich über denjenigen, der auf meine Kosten galant handelt. Wiese fühle ich in diesen beiden Situationen so verschieden, obwohl das Resultat dasselbe ist?

Wahrscheinlich ticke ich so:

  • Gestatte ich jemanden das Einordnen, dann bin ich derjenige der dies entscheidet. Ich verdiene Anerkennung, Achtung und Dankbarkeit.
  • Gewährt ein Fahrzeug vor mir den Einlass, habe ich jedoch keine Kontrolle über diese Situation und niemand singt mir eine Hymne. Im Gegenteil, ich sehe nur den Nachteil einer längeren Wartezeit.

Eigentlich doch klar: Ich fühle mich ausgezeichnet, wenn es jemand anderem gut geht (allerdings immer nur dann, wenn ich dies als Resultat meines Großherzigkeit sehe). Ausserdem will ich, dass mich andere als wunderbar, heroisch und zuvorkommend betrachten.

Trotzdem: Gesetzt den Fall viele Klitschen stehen vor mir im Stau und manche davon lassen andere in meine Spur: Sollte ich nicht schlussendlich  kneissen, dass wahrer Edelmut darin besteht, einfach zu erlauben, dass gute Dinge passieren? Sogar und vor allem, wenn andere Personen die Lobpreisung dafür kassieren?
Es wäre nicht leicht, diese Haltung zu verinnerlichen. Falls ich es schaffen sollte, wäre ich überzeugt, dass gute Dinge folgen würden.

Motorradfahrende Engel wie wir können die Welt ein bisschen besser machen, indem wir auch anderen Asphaltusern ihre Hochschätzung und Ehrerbietung gönnen (ausser natürlich es gibt diese Lücke, die uns zur „Flucht“ verhilft – rroooaarr!!).

Mal sehen was Gutes kommt,
risk‘n‘ride,
Dieter

(Blog-Posting inspired by Dan Ariely)

„Hook up“ – Der Rausch auf zwei Rädern!

Vor zwei Stunden kühlten die letzten Regentropfen den sonnenaufgeheizten Asphalt. Trockene Fahrbahn. Ideale Bedingungen für ein Experiment der Klasse „Sanftheit, Entspannung und Leichtigkeit“. Die Strecke: Weissenbachtal. Motorradeldorado für daheimgebliebene Salzkammgutbiker. Nach 20 Minuten kurvenschwangerer Anfahrtszeit bin ich bereits in einem Zustand eines allfliessendem Zen-Mönchs. Perfekte Seelenlage um folgendes Rästel zu lösen:

Kann ich den Rausch beim Motorradfahren intensivieren?

Ich nähere mich stetig der Schlüsselstelle – einer Kurvenkombi des Entzückens, welche jedem Biker mit den Grußworten „Motorradfahrer – Bitte langsam!“ aufkredenzt wird. Ich beginne zu trägern* und frage mich: „Wie könnte es leichter gehen?“ Der Lenkimpuls schrumpft auf ein Minimum. Die Maschine legt sich brav in die Schräge. Ich bin entspannt wie ein nuckelndes Baby. Nächste Kurve, dieselbe Frage: „Wie könnte es leichter gehen?“ Meine Arme gleichen flügelleichten Federn, mein Kinn hängt bis zum Asphalt und mein Gesäß verschmilzt mit der Polsterung meiner BMW. Die Einheit – sie ist da! Der Flow – er verinnt in meinen Hirnwindungen. Jetzt die nächste Kurve – abermals: „Wie könnte es noch leichter gehen?“ Boooom! Bin ich es der lenkt? Gibt es mich? Verschmolzenes Fleisch-Metall? Ich werde Zeuge, wie sich die physikalischen Grenzen meines Motorrads auflösen um meinen Körper vollends zu absorbieren. Es schluckt mich. Ein letztes „Wie könnte es noch leichter gehen?“ und ich zerrinne. Ich werde eins mit der Strecke, eins mit der Landschaft, eins mit mir und der Welt. Hook up* – Körper, Unbewusstes und das Universum verschmelzen. Transzendenz!

Kabumm! Ein Knall in Form eines wegdriftenden Hinterrades hebt mich mächtig aus dem Sitz. Ich bin wieder ich. Geöffnete Adrenalinschleussen verdrängen das Meer an Dopamin – der Kick löscht meinen Rausch. Puh! Gerade noch gut gegangen. Mit pochendem Herzschlag passiere ich ein Schild von dem mir ein Motorradfahrer in fetten Lettern „DANKE!“ zugrüßt. „DANKE!“, sag auch ich, wissend, dass es vielleicht ein „Was könnte noch leichter sein?“ zu viel war. Troztdem werde ich es wieder wagen diese Frage zu stellen, denn sie führt mich zur Essenz meiner Leidenschaft – dem Rausch auf zwei Rädern.

Hook up and
risk‘n‘ride,
Dieter

*“trägern“ ist die Form einer Körperarbeit des amerikanischen Akrobaten, Tänzers und Arztes namens Milton Trager. „Was könnte leichter und freier sein?“ war das Leitmotiv der Arbeit von diesem inspirierenden Typen. Es ist eine Methode des somatischen Lernens die ich 2003 an der kalifornischen Pazifik-Küste in Big Sur kennenlernen durfte. „Hook up“ ist der meditative Zustand, der durch dieser Arbeit erreicht werden soll. Trager nennt diesen: einem unendlichen Ozenan des Wohlseins. Seit geraumer Zeit weiss ich, dass diese Methode mitunter ein Weg ist, diesen Zusammenschluss Motorrad-Fahrer zu schaffen. But Beware: Rausch kills, without Rausch skills!