Gestern, 20.Mai, Nähe Freistadt, Oberösterreich, schwerer Motorradunfall. Ich und mein Freund Jork wurden Zeugen der Erstversorgung. Abends bei der Recherche über die Folgen für den Motorradfahrer lese ich im Internet, dass auf der von uns gefahrenen Strecke ein weiterer Motorradfahrer sein Bein und ein anderer sein Leben verlor.
Heute, 21.Mai, Scharnstein, Oberösterreich, 15km von meinem Zuhause, passieren wir die Stelle an der gestern ebenfalls ein Motorradfahrer starb (Artikellink siehe unten).
Ich werde merklich entschleunigt. Die gelesenen Zeilen und die Zeichnungen am Asphalt kosten mich in den nächsten Kurven unwichtige Sekunden. Diese Eindrücke sind nicht nur eine Spaßbremse, sondern wirken auch als Begrenzer, der schon bei 6000 statt der üblichen 8500 U/min einsetzt. Genau da stellte sich mir die Frage: Was begrenzt mich? Was bremst mich ein?
Soweit in mich versunken, dass ich mein Bike gerade noch sicher über den Asphaltkanal geleiten konnte, erspürte ich folgendes:
Es ist nicht mein mangelndes Fahrkönnen, das meine Geschwindigkeit durch die Waldgebiete des Alpenvorlandes bestimmt.
Es ist die Möglichkeit eines Wildwechsels.
Es sind nicht die fehlenden PS, die meinen Speed durch besiedeltes Grünland regulieren, noch die 50er oder 80er Beschränkungen .
Es ist die Möglichkeit eines Querverkehrs.
Es ist nicht der fehlende Grip der meine Kurvengeschwindigkeit bestimmt.
Es ist die Möglichkeit des Ausritts.
Es ist statistisch beinahe unwahrscheinlich, dass ich heute zu Sturz komme und dabei auch noch mit Petrus Bekanntschaft mache (treue Leser erinnern sich vielleicht an die 20 Promille). Die Möglichkeit besteht jedoch permanent.
Diese 0,02 % sind es, die mir den Mut rauben, die physikalischen Grenzen auszutesten. Und es ist gut so.
Woher kommen meine Gedanken an die Möglichkeit eines Sturzes, Querverkehrs, Wildwechsels, etc.? Es ist die nackte Angst. Nimmt sie Überhand, fahre ich wie Opa Baldrian auf den Weg zur Kirche. Fehlt sie gänzlich, rase ich mit warp-speed gen Hölle.
Also mit der Angst hält es sich wie mit der Geschwindigkeit: Null ist nix und zuviel ist zuviel. Vielleicht sollten die Verkehrsexperten des Landes Angsttaferl aufstellen wie: „Diese Kurve fährt sich optimal mit 430,5 Panik!„. Da sich Angst, wie übrigens auch die Fahrleistung z.B. unter Alkohol, sehr individuell gestaltet, liegt es wiederum – und das zum Glück – an jedem von uns seine Angst selbst zu regulieren, um optimale Lust zu erfahren. Ob dies nun durch Verkehrssicherheitsspots, Unfallstories aus der Presse oder Ghostrider-Videos passiert, bleibt jedem selbst überlassen.
Nur eins ist sicher: Für mindestens 3 von uns ist der gestrige Tag echt scheisse gelaufen.
risk’n’fear,
Dieter